72 8 4. Die reichsrechtliche Anerkennung der Unentziehbarkeit.
daß der Grund für ihn hier im Gegenteil, d. h. darin liegt,
daß die Autonomie dieser Familien nicht auf staatliche Ver-
leihung zurückführt. Daß dies in der Tat der Fall, daß die
Autonomie der regierenden Familien nicht auf einer Ver-
leihung unseres modernen deutschen Verfassungsstaates, nicht
auf Landesgesetz beruht, haben wir früher nachgewiesen.
Weder von der reichszeitlichen Landeshoheit, noch von dem
souveränen Rheinbundstaate, aber auch nicht von den Glied-
staaten des deutschen Bundes und des deutschen Reiches
haben die regierenden Familien ihre Autonomie übertragen
erhalten. Sıe ist allen diesen staatlichen Gewalten gegenüber
originär erworben. Insbesondere haben die landesherrlichen
Häuser ihre gegenwärtige Autonomie nicht erst durch die
‚Verfassungen rechtlich erhalten; die Autonomie derselben
wird vielmehr in den Verfassungen als rechtlich bereits be-
gründet vorausgesetzt. Das gegenwärtige Selbstgesetzgebungs-
recht der mediatisierten Häuser ist dagegen erst durch die
Gesetzgebung der modernen Staatsgewalt rechtlich neu ge-
schaffen. Die Reichsgesetzgebung erkennt somit als zutreffend
an, was wir bereits aus dem Landesstaatsrechte abgeleitet
haben, und so gelangen wir vom Reichsrechte aus zu dem-
selben Satze, zu dem wir vom Landesstaatsrechte aus ge-
langten: Die Autonomie der herrschenden Familien ist eine
von der Einwirkung der Landesgesetzgebung unabhängige
Rechtsquelle. Änderung von Vorschriften, die auch die Haus-
gesetzgebung berühren, bedürfen der Mitwirkung der letzteren.
IH. Daß wir mit dieser Auffassung die Meinung des
Gesetzgebers zutreffend erklären, bestätigen auch die Motive,
welche die erste Kommission für Ausarbeitung des Bürger-
lichen Gesetzbuches ihrem Entwurfe beigegeben hat. Vgl.
Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Ge-
setzbuche Bd. I (1899) S. 22 ff. Dort heißt es S. 156:
„Die autonomischen Satzungen der ehemals reichsständischen,
seit 1806 mittelbar gewordenen Familien sind, hingesehen
auf ihren unmittelbaren Ursprung, keine landesgesetzlichen
Normen; sie beruhen auf einer besonderen Quelle, aber
auf einer nach den heutigen Verhältnissen der Landes-
gesetzgebung untergeordneten Quelle. Die Landesgesetzgebung