Full text: Heerwesen und Dienst in der königlich bayerischen Armee.

256 3. Abthl. Die Ehrengerichte. Die Militärgerichtsverwalt. u. Gefängnißwes. 
8. 44. Bei getrennt garnisonirenden Infanterie- oder Artillerie— 
regimentern findet die Spruchsitzung zuerst in der Garnison statt, in 
welcher sich der untersuchungführende Ehrenrath befindet. Demnächst 
werden die Akten den andern Bataillonen oder Abtheilungen zugeschickt, 
um dort ebenfalls zum Spruch zu schreiten. Der Kommandeur kann auch 
diesen Spruchsitzungen anwohnen. 
8. 46. Etwaige Anträge auf Ausschließung einzelner Mitglieder des 
Ehrengerichts von der Abstimmung seitens des Angeschuldigten sind so 
zeitig anzübringen, daß der Befehlshaber, welcher das ehrengerichtliche 
Verfahren angeordnet hat, darüber noch vor der Spruchsitzung endgiltig 
entscheiden kamnn. Durch den Kommandeur sind von der Theilnahme am 
Spruche auszuschließen: Ankläger, Zeugen, Vertheidiger, nahe Verwandte 
und Schwäger des Angeschuldigten, sowie diejenigen, welche sich selbst in 
gerichtlicher oder ehrengerichtlicher Untersuchung befinden. Außerdem darf 
sich kein ortsanwesendes Ehrengerichtsmitglied der Betheiligung am Spruche 
entziehen, es sei denn durch Krankheit oder Dienst verhindert. 
§. 47. Zu einem giltigen Spruche ist die Theilnahme von mindestens 
neun stimmfähigen Mitgliedern, den Kommandeur mit inbegriffen, erforder- 
lich. Im andern Falle ist die Untersuchung auf berichtlichen Antrag des 
Befehlshabers, welcher das ehrengerichtliche Verfahren angeordnet hat, 
durch den kommandirenden General einem anderen Ehrengerichte seines 
Dienstbereiches zum Spruch zu überweisen. Dies geschieht auch, wenn 
zur Spruchsitzung des Ehrengerichtes eines Landwehrbezirks nicht neun 
stimmberechtigte Mitglieder desselben im Stabsquartier sich in nächster 
Zeit vereinigen lassen. 
§. 49. Von jeder von der Regel abweichenden Bestimmung oder 
Zusammensetzung eines Ehrengerichts zur Fällung des Spruches ist dem 
Angeschuldigten zur Wahrung seines Ablehnungsrechtes Kennntniß zu 
eben. 
8. 50. Die Ehrengerichtsmitglieder werden vor der Abstimmung von 
dem Kommandeur aufgefordert, als Ehrenmänner, ohne Leidenschaft, nach 
Pflicht und Gewissen und mit Erwägung der einwirkenden besondern Ver- 
hältnisse ihre Stimmen abzugeben. 
Demnächst sind die Akten von einem Mitgliede des Ehrenrathes voll- 
ständig vorzulesen. Hieran schließt sich die Vertheidigung an, bis zu deren 
Beendigung der Angeschuldigte in der Spruchsitzung gegenwärtig sein darf. 
Nachdem sodann eine vom Kommandeur zu leitende, durch Vortrag 
eines schriftlichen Gutachtens des Ehrenraths zu eröffnende Berathung 
tattgefunden hat, gibt zuerst der Ehrenrath, dann sämmtliche anwesende 
itglieder, der Jüngste zuerst, der Kommandeur zuletzt, dem Ehrenrath 
seine Stimme ab. Der Ehrenrath hat über die ganze Verhandlung 
Protokoll zu führen, in welchem die Abstimmung jedes einzelnen Mitgliedes 
ersichtlich gemacht und die betreffende Stelle von diesem unterschrieben 
werden muß. Unter Anführung des Verhinderungsgrundes werden am 
Schlusse des Protokolls die abwesenden Mitglieder des Ehrengerichtes 
namhaft gemacht. 
8. 51. Der Spruch des Ehrengerichtes kann lauten: 
1) Auf Unzuständigkeit, wenn das Ehrengericht der Ansicht ist, 
daß der Fall sich überhaupt nicht zur ehrengerichtlichen Behand- 
lung eigne, oder daß ein anderes Ehrengericht das zuständige sei;
	        
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