I. Abschn. Die Ehrengerichte. 257
2) auf Vervollständigung der Untersuchung, wenn das
Ehrengericht eine solche, um sich eine bestimmte Ueberzeugung
bilden zu können, für nöthig und möglich hält;
3) auf Freisprechung, wenn das Ehrengericht der Ueberzeugung
ist, daß die dem Angeschuldigten zur Last gelegte Gefährdung
oder Verletzung der Standesehre nicht stattgefunden habe;
4) auf Schuldig der Gefährdung der Standesehre unter
Beantragung einer Warnung, wenn das Ehrengericht der Ueber-
zeugung ist, daß der Angeschuldigte durch das ihm zur Last
fallende Verhalten nicht unwürdig geworden ist, im Dienste be-
lassen zu werden;
5) auf Schuldig der Verletzung der Standesehre unter
Beantragung der Entlassung mit schlichtem Abschied, wenn das
Ehrengericht der Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte in
seiner Dienststellung nicht belassen werden kann;
6) auf Schuldig der Verletzung der Standesehre unter
erschwerenden Umständen unter Beantragung der Ent-
fernung aus dem Offiziersstande, wenn das Ehrengericht der
Ueberzeugung ist, daß der Angeschuldigte dem Offiziersstande
ferner anzuhören unwürdig geworden ist.
§. 52. Die Entlassung mit schlichtem Abschied hat den Verlust der
Dienstesstelle —
die Entfernung aus dem Offiziersstande außerdem noch den Verlust
des Offizierstitels zur unmittelbaren Folge. "
§. 53. Bei inaktiven Offizieren tritt an die Stelle der Entlassung mit
schlichtem Abschied der Verlust des Rechts, die Militäruniform zu tragen, —
an Stelle der Entfernung aus dem Offiziersstande außerdem noch
der Verlust des Offizierstitels.
8. 55. Hält die Mehrheit der Stimmenden das Ehrengericht für
nicht zuständig, so ist auf dem Instanzenwege die Entscheidung des kom-
mandirenden Generals, wenn von diesem selbst angeordnet, jene des
Kriegsministeriums einzuholen. Ist nur eine Minderheit der Stimmenden
dieser Ansicht, so sind sie doch verpflichtet, beim Spruche ihre Stimmen ab-
zugeben nach Maßgabe der §§. 51 und 833. «
8. 56. Hält die Stimmenmehrheit dafür, daß die Untersuchung zu
vervollständigen sei, so ist das hiernach Erforderliche durch den Komman-
deur zu veranlassen und die definitive Abstimmung bis dies geschehen
auszusetzen. Die Minderheit verhält sich wie §. 55.
§. 57. Ein giltiger Spruch des Ehrengerichts entsteht, wenn mehr
als die Hälfte der Stimmenden ein gleichlautendes Votum abgegeben
haben. Ist dies nicht der Fall, so werden die für die härteste Ansicht ab-
gegebenen Stimmen der oder den nächstmilderen bis zur Erlangung der
absoluten Stimmenmehrheit zugezählt und gilt alsdann das auf diese
Weise erlangte Ergebniß als Spruch des Ehrengerichts. — Bei Stimmen-
gleichheit entscheidet die Stimme des Kommandeurs.
§. 58. Sodann läßt der Kommandeur durch den Ehrenrath den
Spruch in Form eines Erkenntnisses ausfertigen, diese Ausfertigung ent-
hält den Spruch des Ehrengerichtes, die Personalia des Angeschuldigten,
eine Darstellung des Sachverhalts und die Entscheidungsgründe. Dieselbe
wird nebst den Akten durch den Befehlshaber, der das Ehrengericht an-
geordnet hatte, auf dem Instanzenwege dem Kriegsministerium unterbreitet.
Reinhard, Heerwesen. 17