II. Abschn. Das Reichsmilitärstrafgesetz. 259
In Kraft bleiben die Vorschriften über die Bestrafung der von Land-
gendarmen begangenen strafbaren Handlungen, sowie die Vorschriften über
die Bestrafung der Fahnenflüchtigen im Wege des Ungehorsams= (Kontu-
mazial-) Verfahrens.
Dagegen finden die Bestimmungen des Militärstrafgesetzbuches auch
auf die Offiziere à la suite Anwendung, welche nicht zum Soldatenstande
gehören, wenn und insolange sie zu vorübergehender Dienstleistung zuge-
lassen sind, sowie in Bezug auf Handlungen gegen die militärische Unter-
ordnung, welche sie begehen, während sie die Militäruniform tragen.
§. 3. Eine Bestrafung in Gemäßheit des Militärstrafgesetzbuches
kann nur auf Grund eines gerichtlichen Erkenntnisses erfolgen.
In leichteren Fällen können im Disziplinarwege geahndet werden:
1) Vergehen wider die 88. 64, 89 Absatz 1, 90, 91 Absatz 1, 92,
121 Absatz 1, 137, 141 Absatz 1, 146, 151;
2) Vergehen wider 8§. 114, wenn die strafbare Handlung nur in
dem Borgen von Geld, oder in der Annahme von Geschenken
ohne Vorwissen des gemeinschaftlichen Vorgesetzten besteht.
Jedoch darf im Disziplinarwege keine andere Freiheitsstrafe, als
Arrest festgesetzt werden, und die Dauer desselben vier Wochen gelinden
Arrestes oder Stubenarrestes, drei Wochen mittleren Arrestes oder vier-
zehn Tage strengen Arrestes nicht übersteigen.
Militärstrafgesetzbuch für das Deutsche Reich.
(Vom 20. Juni 1872.)
Einleitende Bestimmungen.
8. 1. Eine Handlung, welche dieses Gesetz mit dem Tode, mit Zucht-
haus, oder mit Gefängniß oder Festungshaft von mehr als fünf Jahren
bedroht, ist ein militärisches Verbrechen.
Eine Handlung, welche dieses Gesetz mit Freiheitsstrafe (§. 16) bis
zu fünf Jahren bedroht, ist ein militärisches Vergehen.
§. 2. Diejenigen Bestimmungen, welche nach den Vorschriften des
deutschen Strafgesetzbuches in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen
allgemein gelten, finden auf militärische Verbrechen und Vergehen ent-
sprechende Anwendung.
§. 3. Strafbare Handlungen der Militärpersonen, welche nicht mili-
tärische Verbrechen oder Vergehen sind, werden nach den allgemeinen
Strafgesetzen beurtheilt. "
§. 4. Unter Militärpersonen sind die Personen des Soldatenstandes
und die Militärbeamten zu verstehen, welche zum Heere oder zur Marine
gehören.
Unter Heer ist das deutsche Heer, unter Marine die kaiserliche Marine
zu verstehen.
§. 5. Die Klasseneintheilung der Militärpersonen ergibt das diesem
Gesetze beigefügte Verzeichniß.
Die Mitglieder des Sanitätskorps und des Maschineningenieurkorps
unterliegen den für andere Personen des Soldatenstandes gegebenen Vor-
schriften nach Maßgabe ihres Militärranges.
§. 6. Personen des Beurlaubtenstandes unterliegen den Strafvor-
schriften dieses Gesetzes in der Zeit, in welcher sie sich im Dienste be-
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