Full text: Heerwesen und Dienst in der königlich bayerischen Armee.

294 3. Abthl. Die Ehrengerichte. Die Militärgerichtsverwalt. u. Gefängnißwes. 
kution innerhalb 24 Stunden beendigt sein, vom Zeitpunkte der Vor- 
führung des Verbrechers an gerechnet, widrigenfalls das ordentliche Unter- 
suchungsverfahren Platz greift. 
Gerichtliche Verhandlungen, vor Ergreifung des Thäters gepflogen, 
schließen das standgerichtliche Verfahren nicht aus. Sie finden durch einen 
im letzteren erlassenen Schuldausspruch oder durch erfolgte Freisprechung 
ihre Erledigung. 
Das ordentliche Verfahren findet statt, wenn der Thäter erst nach 
Aufhebung des Standrechtes oder nach Ablauf von 8 Tagen nach Ver- 
übung der That ergriffen wird. 
Sobald der mit Ausübung des Standrechtes betraute Kommandeur 
Meldung erhält, daß ein eines standrechtlich zu behandelnden Verbrechens 
Beschuldigter ergriffen sei, setzt er das Standgericht nieder und bestimmt, 
wenn kein Militärstaatsanwalt zur Stelle ist, einen zur Führung der 
Anklage geeigneten Offizier und weiters einen für die Vertheidigung des 
Beschuldigten. 
Der mit Führung der Anklage Beauftragte empfängt sofort die vor- 
liegenden dienstlichen Meldungen und sonstigen Erhebungen und hat die 
zur Verhandlung erforderlichen Beweise zur Stelle zu bringen. Dem Ver- 
theidiger steht es frei, allenfallsige Entlastungsbeweismittel vorzuführen. 
Nachdem das Standgericht, die eine Hälfte der einzelnen Chargen 
rechts, die andere links vom Vorstande einen offenen Kreis formirt und 
der Vorstand den Richtern den Gegenstand der Verhandlung bekannt ge- 
geben hat, läßt er den Beschuldigten in den Kreis führen und stellt ihm 
seine Richter vor. 
Will der Beschuldigte den einen oder andern Richter ablehnen, so 
muß er bestimmte Gründe hiefür angeben, deren Würdigung und Beschei- 
dung, nach Anhörung der Erklärung des Klägers und des Abgelehnten, 
durch das Standgericht erfolgt. Erachtet das Standgericht die Ablehnung 
für begründet, so tritt ein Ersatzmann ein. 
Hierauf wird zur Vereidigung der Richter geschritten. Die Formel 
lautet: „Ich schwöre, daß ich ohns Rücksicht auf die Verhältnisse des 
Lebens, auf Macht und Ansehen, Armuth oder Reichthum, Freundschaft 
oder Feindschaft, Gunst oder Haß, über dasjenige, was bei diesem Stand- 
gerichte wird vorgetragen oder verhandelt werden, blos nach meiner durch 
die Verhandlung gewonnenen freien festen Ueberzeugung und nach den 
Gesetzen so sprechen will, wie ich es vor Gott, dem allmächtigen, all- 
wissenden und gerechtesten Richter in meinem Gewissen verantworten kann." 
Nach Ablesung der Eidesformel hat jeder Richter einschließlich des Vor- 
standes, nach dessen Aufruf vom Jüngsten beginnend, mit erhobener Rechten 
die Stabung zu sprechen: „Ich schwöre."“ 
Nun trägt der Ankläger die vorliegende Beschuldigung vor, und be- 
gründet sie mit den beigebrachten Mitteln, ebenso verhält sich der Ver- 
theidiger bezüglich der Entlastungsbeweise, worauf, wenn sich ein Auditeur 
nicht unter den Richtern befindet, der Vorstand den Angeklagten mit seiner 
Erklärung vernimmt und die Beweiserhebungen nach den für das ordent- 
liche Verfahren geltenden Vorschriften beschäftigt. 
Das hauptsächlichste Ergebniß derselben und alle wesentlichen Punkte 
der Verhandlung werden kurz zu Papier gebracht. Diese Aufzeichnung ist 
mit der Fertigung des Vorstandes und des Gerichtsmitgliedes, welches sie 
bethätigt hat, zu versehen. 
 
	        
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