III. Abschn. Die Militärgerichtsverwaltung. 295
Nach Beendigung des Beweisverfahrens begründet der Ankläger die
Anklage und stellt den entsprechenden Antrag; hierauf werden der Ange-
klagte und sein Vertheidiger gehört.
Sodann wird der Angeklagte aus dem Kreise geführt und entfernen
sich auch Ankläger, Vertheidiger, Zeugen und Sachpverständige.
Hierauf treten die Richter zu gemeinschaftlicher geheimer Berathung
und Abstimmung (mit dem Jüngsten beginnend) über folgende Fragen
zusammmen:
1) ob das dem Angeklagten zur Last gelegte Verbrechen ein solches
sei, worüber nach der ergangenen Verkündigung standrechtlich
geurtheilt werden dürfe?
und wenn diese Frage mit Stimmenmehrheit bejahend ent-
schieden worden:
2) ob der Angeklagte des Verbrechens schuldig sei?
Hinsichtlich der zweiten Urtheilsfrage hat jeder einzelne Richter zu
erkennen:
a) „schuldig", wenn er den Angeklagten der That für vollkommen
überwiesen erachtet;
b) „unschuldig“, wenn er überzeugt ist, daß der Angeklagte sich von
aller Schuld gereinigt habe;
J) „zweifelhaft", wenn er sich weder von der vollen Schuld noch
von der Unschuld des Angeklagten überzeugt hält.
Hat mindestens eine Mehrheit von zehn Stimmen gegen drei die
Schuld des Angeklagten ausgesprochen, so wird vom Standgerichte gegen
ihn das Todesurtheil gefällt; hat hingegen mindestens eine Mehrheit
von sieben Stimmen sich für die Unschuld des Angeklagten erklärt, so wird
derselbe freigesprochen. Bei einem andern Ergebniß wird die Sache
zum ordentlichen Untersuchungsverfahren verwiesen.
Das Urtheil wird schriftlich abgefaßt, enthält Namen, Dienstgrad und
die Abtheilung des Angeklagten, die Bezeichnung des Verbrechens, den
Ausspruch über Schuld und Strafe, bezw. Freisprechung oder Verweisung,
aber keine Entscheidungsgründe und wird von sämmtlichen Richtern
unterschrieben.
Wenn der Kommandeur, welcher das Standgericht niedergesetzt hat,
dasselbe nicht schon vorher zum sofortigen Urtheilsvollzuge ausdrücklich
ermächtigt hat, so überbringt der Vorstand, begleitet von zwei Gerichts-
mitgliedern — darunter der Auditeur — ihm das Urtheil und macht
mündliche Meldung über den Verlauf des Gerichtsverfahrens unter Vor-
lage der gemachten Vormerkungen.
Ist der Ausspruch ein verurtheilender und findet der Kommandeur
keine Veranlassung zur Begnadigung, so ordnet er den Vollzug desselben
an. Sowohl der Befehl zur Urtheilsvollstreckung als der Begnadigungs-
ausspruch wird dem Vorstande des Standgerichts schriftlich behändigt.
Nachdem hierauf das Standgericht sich wieder formirt hat, läßt der
Vorstand den Angeklagten in den Kreis einführen und liest ihm in Gegen-
wart des Anklägers und des Vertheidigers das Urtheil nebst der vom
Kommandirenden auf dasselbe erlassenen Verfügung vor.
Lautet der Ausspruch auf „schuldig“ und ist eine Begnadigung nicht
eingetreten, so wird sofort der Stab über den Verurtheilten gebrochen und,
nachdem ihm eine kurze Frist zur Vorbereitung vergönnt worden, das