440 4. Abthl. Allgemeine Dienstverhältnisse.
Art. 55. Von dem Ehr= und Pflichtgefühl der Soldaten wird da-
gegen erwartet, daß sie fort und fort ihre Pflichten treu und gewissenhaft
erfüllen, durch ehrenhafte Führung in und außer dem Dienste ein Muster
ordentlichen und rechtschaffenen Lebens geben und nach Kräften dazu bei-
tragen werden, den guten Ruf des Heeres im In= und Auslande zu
bewahren.
Disziplinarstrafordnung für das Heer.
(Verordnungsblatt 1872, Nr. 73.)
Erster Abschnitt.
Amfang der Disziplinarstrafgewalt.
§. 1. Der Disziplinarbestrafung unterliegen:
1) Handlungen gegen die militärische Zucht und Ordnung und gegen
die Dienstvorschriften, für welche die Militärgesetze keine Straf-
bestimmungen enthalten;
2) diejenigen militärischen Vergehen, deren Bestrafung im Disziplinar-
wege in leichteren Fällen durch das Einführungsgesetz zum Miltär-
Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872 S. 3
ausdrücklich gestattet ist ).
*) Diese militärischen Vergehen sind:
1) Eigenmächtige Entfernung und eigenmächtige Urlaubsüberschreitung, wenn
die unerlaubte Abwesenheit höchstens sieben Tage, im Felde höchstens drei
Tage gedauert hat. Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich §. 64.
2) Verletzung der dem Vorgesetzten schuldigen Achtung im Dienste oder in
Beziehung auf eine Diensthandlung einschließlinh der lauten Beschwerde-
führung oder der Widerrede gegen einen Verweis. §. 89 Abs. 1. l. c.
3) Oelügen des Vorgesetzten auf Befragen in dienstlichen Angelegenheiten.
90 1. c.
4) Beleidigung eines Vorgesetzten oder im Dienstrange Höheren, wenn die-
selbe nicht eine verläumderische oder nicht durch Verbreitung von Schriften,
Darstellungen oder Abbildungen begangen ist. §. 91 Abs. 1. 1. c.
5) Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen durch Nichtbefolgung
oder durch eigenmächtige Abänderung oder Ueberschreitung desselben (§F. 92
1. c.), wenn nicht durch den Ungehorsam ein erheblicher Nachtheil ver-
ursacht ’ die Gefahr eines erheblichen Nachtheils herbeigeführt ist.
6. 93 ibid.
6) Mißbrauch der Dienstgewalt durch Borgen von Geld oder Annahme von
Geschenken von einem Untergebenen ohne Vorwissen des gemeinschaftlichen
Vorgesetzten. S. 114 I. c.
7) Vorschriftswidrige Behandlung eines Untergebenen oder Beleidigung
Lselhen, wenn die Beleidigung nicht eine verleumderische ist. §. 121
ds. 1. 1. c.
8) Vorsätzliche und rechtswidrige Beschädigung, Zerstörung oder Preisgebung
eines Dienstgegenstandes. §. 137 I. c.
9) Verletzung der Dienstpflichten als Befehlshaber einer militärischen Wache,
eines Kommandos oder einer Abtheilung, oder als Schildwache oder als
Posten, durch eigenmächtiges Verlassen seines Postens oder durch eine
andere Handlung, welche entweder ihn außer Stand setzt, den ihm ob-
liegenden Dienst zu versehen, oder als ein Zuwiderhandeln gegen die
ihm in Bezug auf jenen Dienst ertheilten Vorschriften sich darstellt; insofern
durch die Pflichtverletzung kein Nachtheil verursacht oder im Felde nicht
die Gefahr eines erheblichen Nachtheils herbeigeführt ist. §. 141 l. c.