Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Cherbourg — Kreta — Kiautschou — Angola. 117 
  
Weihai-wei aus beherrsche England die Bucht von Petschili, und dieser 
Stützpunkt halte Port Arthur das Gleichgewicht.“ Balfour wies mit 
Ernst und Besorgnis auf die „verhängnisvollen Aberraschungen“ hin, 
welche die neue Entwicklung für die Zukunft Chinas bringen könne. Aus 
den gesamten Parlamentsverhandlungen jenes Frühjahrs und Sommers 
in den englischen Kammern sprach tiefste Besorgnis und Unruhe NRuß- 
land gegenüber. ODagegen legte man besonderen Wert auf die Betonung, 
daß die Besitzuahme von Weihai-wei sich keineswegs gegen die deutschen 
Rechte in Schantung richte. Der Regierungsvertreter erklärte, man habe 
aus eigenem Antriebe der deutschen Regierung Anzeige von der Pach- 
tung Wei-hai-wei gemacht, um Mißverständnisse zu vermeiden. Oiese 
Erklärung lautete, nach der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“: 
„Die englische Regierung hat im Hinblick auf die bevorstehende Besitz- 
nahme Weiehai-weis der deutschen Regierung spontan die Mitteilung 
gemacht, daß sie nicht willens sei, deutsche Rechte oder Interessen in 
Schantung zu schädigen oder in Frage zu stellen, oder der deutschen Re- 
gierung in jener Provinz Schwierigkeiten zu bereiten; daß sie insbesondere 
nicht beabsichtige, von Wei-hai-wei oder dem dazu gehörigen Gebiete 
aus Eisenbahnverbindungen nach dem Inneren der Provinz anzulegen.“ 
RNimmt man dazu die wiederholte Betonung Balfours, daß die 
Besetzung von Wei-hai-wei nichts mit der deutschen Pachtung zu tun 
habe und sich ausschließlich gegen die russische richte, wie anderseits die 
Tatsache, daß die internationale Lage und Politik Englands zu jener Zeit 
genau mit diesen amtlichen Erklärungen übereinstimmen, so beweist das 
alles unwiderleglich die Unrichtigkeit der Behauptungen: die Pachtung 
von Kiautschou sei die eigentliche Ursache des Russisch-= Zapanischen Krieges 
geworden und habe im besonderen die beiden anderen Pachtungen her- 
vorgerufen. Tatsächlich stand der Plan russischer Ausdehnung in China 
schon lange fest, Port Arthur sollte nur ein Mittel zum großen Gesamt- 
zwecke sein. Angesichts dieser russischen Pläne hatte dann Kaiser Wil- 
helm sich mit Rußland über einen festen Punkt für Oeutschland ver- 
ständigt. Dahin zielte auch die Außerung des Fürsten Bülow im Reichs- 
tage: Deutschland befände sich im Einklange mit Rußland, „dessen Inter-- 
essen in Europa nirgends die unfrigen durchkreuzen, in Ostasien viel- 
fach mit denselben parallel laufen, und dessen natürliche Machtentwick- 
lung wir als aufrichtige Freunde mit neidloser Sompathie begleiten“. 
Wahrscheinlich ist, daß die großbritannische Politik hoffte, das 
Deutsche Reich werde durch Kiautschou in Gegensatz zur ostasiatischen 
Ausdehnungspolitik Rußlands gebracht werden können.
	        
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