Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

156 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—19058. 
  
in der Lage sein, ihre sämtlichen Streitkräfte gegen uns zu konzentrieren. 
Selbst wenn es ihr aber auch gelingt, uns mit größerer Ubermacht ent- 
gegenzutreten, würde die Niederkämpfung einer starken deutschen Flotte 
den Gegner doch so erheblich schwächen, daß dann trotz des etwa errungenen 
Sieges die eigene Machtstellung nicht mehr durch eine ausreichende Flotte 
gesichert wäre.“ 
„Um das gesteckte Ziel: Schutz unseres Seehandels und unserer 
Kolonien durch Sicherung eines Friedens in Ehren zu erreichen, sind für 
Deutschland nach Maßgabe der Stärkeverhältnisse der großen Seemächte 
und unter Berücksichtigung unserer taktischen Formationen zwei Ooppel- 
geschwader vollwertiger Linienschiffe mit dem notwendigen Zubehör 
an Kreuzern, Torpedobooten usw. erforderlich. Da das Flottengesetz 
nur zwei Geschwader vorsieht, ist noch der Bau eines dritten und vierten 
Geschwaders in Aussicht zu nehmen.“ 
Oiese Sätze bedeuteten in anderen Worten: Das Oeutsche Reich sollte 
aus dem Zustande der Wehrlosigkeit zur See heraus, über das Zwischen- 
stadium einer kleinen, sogenannten Ausfallsflotte hinweg zu einer Flotte 
gelangen, die auch der größten Seemacht der Erde gegenüber einen ge- 
fährlichen und deshalb ihrem Angriff entrückten Gegner darstellte. Der 
Schritt erschien so groß, daß eigentlich nirgends in der Welt geglaubt 
wurde, es werde gelingen, ihn wirklich zu tun. 
Die Fahrbundertwende, die Zahre kurz vorher und kurz nachher 
zeigen allgemein eine sehr aktive Flottenpolitik der Mächte. Begonnen 
hatte Japan nach dem siegreichen Kriege gegen China, nachdem die Inter- 
vention der drei Kontinentalmächte ihm wesentliche Früchte seiner Siege 
geraubt hatte, und als es sah, daß die russische Politik in Ostasien, unter- 
stützt von Truppen und Panzerschiffen, entschlossen auf den Besitz der 
Mandschurei, Koreas und Kwantungs lossteuerte. Japan besaß bald 
nachher die größten und stärksten Schiffe der Welt. Seine Flotte war 
nicht groß, aber von verhältnismäßig sehr guter Qualität. 
Großbritannien unterstützte JLapan mit Geld und diplomatisch. Die 
britischen Staatsmänner erblickten seit 1895 in Japan den Sturmbock 
Großbritanniens gegen Rußland in Ostasien. 
In Rußland hatte der Zar 1898 einen neuen Flottenplan befohlen, 
der auf russischen, deutschen, französischen und amerikanischen Werften 
zur Ourchführung gebracht wurde. Zedes neue russische Kampfschiff 
trat den Marsch nach dem fernen Osten an, Port Arthur wurde, soweit 
das überhaupt angesichts der russischen Berhältnisse möglich ist, in größter 
Eile als Festung und Flottenstützpunkt ausgestattet. 
In Frankreich hatte das Prinzip der Linienschifföflotte als Kern und 
Hauptsache der Kriegführung zur Sec die Oberhand über den Gedanken
	        
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