Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

220 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908. 
  
ordnung von amerikanischen Deutschen gegenüber. Kaiser Wilhelm 
sagte: er kenne wohl Deutsche und er kenne wohl Amerikaner, aber Deutsch- 
Amerikaner kenne er nicht! — Man mag noch so viele, scheinbar nahe- 
liegende Gegengründe beibringen: politisch bleibt diese Auffassung die 
einzig haltbare, die einzige, mit der ein gerader Weg zu gehen ist. Nie 
darf ein deutscher Staatêmann, nie eine öffentliche Meinung im Deut- 
schen Reiche das deutsch geborne und von gebornen Deutschen abstam- 
mende Element in den Vereinigten Staaten als politischen Faktor in 
Rechnung stellen. Sollte es sich einmal ohne oder wider Erwarten im 
Sinne der Interessen des Deutschen Reiches als wirksam zeigen: um so 
besser. Auch vor 1914 in den Zeiten schwerer Verstimmung, in den 
Zahren der Mißverständnisse ist es dem deutschen und halbdeutschen Ele- 
mente nie gelungen, sich geltend zu machen. Seine Führer vermochten 
nicht einmal die springenden Punkte zu finden, dagegen verkannten sie 
nicht minder als die Stockamerikaner die Triebfedern und Ziele der deut- 
schen Politik vielfach volllommen. Wie weit ihre Führer den harten 
politischen Wirklichkeiten entfremdet sind, unter deren Druck das Deutsche 
Reich lebt, dafür gaben sie noch im Jahre 1912 einen schlagenden Be- 
weis. Als der damalige Präsident der Bereinigten Staaten, Mr. Taft, 
seine Schiedsgerichtsverträge mit den Großmächten zu verwirklichen ver- 
suchte und glaubte, auch solche Meinungsverschiedenheiten und Streitig- 
keiten schiedsgerichtlich erledigen zu können, welche Fragen der Ehre und 
der vitalen Interessen der Länder betreffen, da setzten die Deutschen in 
den Bereinigten Staaten einen großen Apparat in Bewegung, um einen 
derartigen amerikanisch-deutschen Schiedsgerichtsvertrag zustande zu brin- 
gen. Eine Abordnung ging nach Berlin zur Einweihung des Steuben- 
denkmals, und diese Gelegenheit wurde benutzt, um bei der leitenden 
deutschen Behörde für den Schiedsvertrag tätig zu sein. An Versamm- 
lungskundgebungen, Zeitungsartikeln und Depeschen war kein Mangel. 
Man war in jenen gewiß wohlmeinenden Kreisen der ernsthaften Uber-- 
zeugung, daß durch Unterzeichnung eines utopischen Schiedsvertrages 
eine enge deutsch-amerikanische Freundschaft geschaffen und durch diese 
ein unzerbrechlicher Weltfriede begründet werden könne. Nun, jene 
Daftsche Seifenblase ist längst zerplatzt. 
Alles in allem kann kein nüchterner Politiker umhin, sich das Wort 
des Deutschen Kaisers zur Richtschnur zu nehmen: daß er wohl Deutsche 
und wohl Amerikaner kenne, aber keine Deutsch-Amerikaner. 
Die Entente Cordiale — Marokko — Hull — Kiel. 
Im Frühjahr 1904 wurde ein am 8. April des gleichen Jahres unter- 
zeichnetes Abkommen zwischen Frankreich und Großbritannien veröffent-
	        
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