Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

256 J. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
lisch-französische Rotenwechsel über das gebeime spanisch-französische Ab- 
kommen besprochen worden. Es ist nicht bekannt, ob Fürst Bülow in den 
ersten Monaten nach der Veröffentlichung des Abkommens über den 
Inhalt der geheimen Bestimmungen unterrichtet war, aber ohne Zweifel 
mußte der Widerspruch in dem veröffentlichten Abkommen zu denken 
geben, der einerseits Frankreichs Absicht, den politischen Zustand Marokkos 
nicht zu ändern, betonte, während Frankreich sich anderseits von England 
Vollmacht geben und sich diplomatische Unterstützung für alles gewähr- 
leisten ließ, was die französische Politik in Marokko tun oder lassen wollte. 
Dieser Widerspruch war nicht aus der Welt zu schaffen. Im Laufe des 
ZLahres 1904 schon tauchten von Paris aus Gerüchte von Geheimklauseln 
auf, welche neben den veröffentlichten Abkommen beständen. Ale im Ok- 
tober 1904 das für die Offentlichkeit bestimmte französisch-spanische Ab- 
kommen bekanntgemacht wurde, verbreitete das Reutersche Bureau die 
folgende Depesche: „Zede Einzelbeit der Berhandlungen ist der britischen 
Regierung bekanntgegeben worden, und die Bestimmungen des neuen 
Vertrages werden mit Genugtuung von den Regierungen zu London, 
Paris und Madrid betrachtet. Der Vertrag enthält eine Anzahl geheimer 
Klauseln, die nicht veröffentlicht werden.“ 
Ungefähr um dieselbe Zeit hatte der damalige Führer der fran- 
zösischen „Kolonialen“, Mr. Etienne, eine Unterredung mit einem Ver- 
treter des „Temps“, aus welcher hervorging, daß er Kenntnis von dem 
Znhbalt der geheimen Bestimmungen besaß. Ob ihm diese bekanntgegeben 
worden waren, oder ob er sie durch Indiskretion erfahren hatte, steht 
dahin. Tatsache ist jedenfalls, daß der französisch-spanische Geheimver-- 
trag nur sehr wenigen französischen Ministern bekanntgegeben worden 
war. Fragt man, woraus jene Beröffentlichung des Reuterschen Bu- 
reaus zu erklären sei, so mag sie sich auf den Wunsch der britischen Regie- 
rung zurückgeführt haben, keinen Zweifel über die Beteiligung Groß- 
britanniens an den spanisch-französischen Berhandlungen zu lassen, da, 
wie vorher erwähnt worden ist, einige Jahre vorher der Versuch Oel- 
cassés, sich mit Spanien ohne Großbritannien zu verständigen, dank der 
Wachsamkeit der britischen Regierung mißlungen war. 
Diese Auffassung mußte gerade in Deutschland entscheidend wer- 
den, weil die französische Regierung der deutschen keinerlei amtliche Mit- 
teilung von ihrem Abkommen mit England gemacht hatte. Von eng- 
lischer Seite wurde der deutschen Regierung nur eine Mitteilung über 
denjenigen Teil des Abkommens gemacht, der sich auf das Oekret des 
Khedive von Agppten bezog. So erklärte jedenfalls im April 1905 der 
Unterstaatesekretär des Auswärtigen, Earl Percy, im Parlament. 
Anfang des Jahres 1905 bereitete Frankreich eine Sondergesandt-
	        
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