Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

286 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
medaner, welche auf der Erde verstreut leben, dessen versichert sein, daß 
zu allen Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein wird.“ — Das Er- 
gebnis von Algeciras bedeutete für Großbritannien einen wirksamen 
Gegenschlag, denn sowohl der Sultan von Narokko wie die politisch 
erfahrenen Türken und anderen Mohammedaner wußten, was von dem 
Papier von Algeciras zu halten war, und Großbritannien wie Frank- 
reich wußten dazu, daß die nächsten Jahre die Wertlosigkeit des Papiers 
von Algeciras und damit die deutsche Niederlage in steigender Nachdrück- 
lichkeit der Welt zeigen und damit das deutsche Ansehen im Orient, ja dem 
ganzen Islam gegenüber erschüttern würden. Wenn Freiherr v. Marschall, 
der deutsche Botschafter zu Konstantinopel, dem Fürsten Bülow damals 
erklärte, man dürfe um der islamitischen Welt willen Marokko nicht preis- 
geben, so hatte er recht. Deshalb war die Tangerfahrt erfolgt. Sie er- 
höhte das deutsche Ansehen sehr und rief in den Kreisen des Islams Be- 
geisterung und Vertrauen für Oeutschland hervor. Um so schädlicher 
war Algeciras und mußte es werden, zumal der Orient auch sah, daß der 
Bundesögenosse Deutschlands, Ztalien, ostentativ zu den Gegnern Oeutsch-- 
lands hielt, weil Frankreich und Großbritannien der italienischen Re- 
gierung die bekannten Bersprechungen hinsichtlich Tripolitaniens, eines 
dem türkischen Sultan unterstehenden mohammedanischen Landes, ge- 
macht haben. Der andere Bundesgenosse des Deutschen Reiches, Oster- 
reich-Ungarn, hatte zu uns gestanden, hauptsächlich durch den Bau jener 
Rückzugsbrücke in der Polizeifrage. Als der österreichisch-ungarische Mi- 
nister des Auswärtigen, Graf Goluchowski, später interpelliert wurde, 
weshalb Osterreich- Ungarn in der außerhalb der Bündnisverträge liegen- 
den Marokkofrage dem Deutschen Reiche sekundiert und damit nachteilig 
auf seine Beziehungen zu anderen Mächten eingewirkt habe, antwortete 
Goluchowski: Österreich-Ungarns Haltung sei keine partei#sche, sondern 
eine unparteiische neutrale gewesen. Diese Erklärung entsprach den Tat- 
sachen und kennzeichnete schärfer als vieles andere die Bereinsamung 
des Deutschen Reiches zu Algeciras. Diese Bereinsamung war um so be- 
merkenswerter, als die deutsche Politik mit ihrem ursprünglichen Marokko- 
programm, der offenen Tür, der Unabhängigkeit des Sultans und der 
Zntegrität des marokkanischen Gebietes, die tatsächlichen wirtschaftlichen 
Interessen eigentlich aller handeltreibenden Mächte, abgesehen von Frank- 
reich und Spanien, welche mehr wollten, vertrat. Keine einzige der kleinen 
und mittleren Mächte aber hat sich damals auf Oeutschlands Seite gestellt, 
keine einzige wagte gegen die britisch-französisch-spanische Verbindung, 
zu welcher de facto auch Rußland noch binzukam, eine abweichende Stel- 
lung einzunehmen. 
Alles in allem ging das Ansehen des Deutschen Reiches gemindert
	        
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