Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

14 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894. 
  
erhalten oder neu zu schaffen. Es sei nur an seine Behandlung der ägyp- 
tischen Frage erinnert. 
Wenn Fürst Bismark also hier ein Prinzip der Ergänzung: Eng- 
land die Flotte, der Dreibund die Armeen! für richtig bielt, so war doch 
dieses von dem Caprivischen Ergänzungsprinzipe wenige Zahre nachher 
völlig verschieden, weil der zweite Deutsche Kanzler die deutsche Politik 
in ein Verhältnis zur englischen brachte, das nach dem Berfallenlassen 
des deutsch-russischen Neutralitätsvertrages an Unabhängigkeit zu stark 
verloren hatte, um vorteilhaft zu sein, ja auch um dauern zu können. 
Das dergestalt politisch gestärkte Ztalien ließ sich nun auch nicht mehr 
durch den französischen Versuch wirtschaftlichen Oruckes einschüchtern, 
sondern Crispi begann den Zollkrieg mit Frankreich, der ein Zahrzehnt 
währen sollte. Auf Bismarcks Betrieb wurde von deutscher Seite alles 
getan, um in dieser schwierigen Lage dem Bundesgenossen Hilfe zu leisten 
und die sinkenden italienischen Werte zu stützen. Auch im übrigen folgt 
während dieser Periode ein französisch-italienischer Zwischenfall dem 
anderen, eine Reiberei der anderen, bald über Marokko, bald in Tunis, 
bald in Massaua. Als im Winter 1888 eine Konzentration französischer 
Geschwader im Mittelländischen Meere stattfand und man sich in Italien 
darüber stark beunruhigte, erschien sofort die englische Kanalflotte in den 
Gewässern des Mittelländischen Meeres. England stellte also „sein Über- 
gewicht in den Oienst des Friedensbundes“. 
1888 finden wir Crispi wiederum beim Fürsten Biemarck, und die 
Presse hob hervor, daß dieser Besuch sich wohl nicht zum wenigsten auf 
die italienisch-französischen Reibereien in Afrika zurückführe. Man täusche 
sich in Frankreich mit der Annahme, daß #talien nur auf dem Festlande 
deutschen Schutz zu gewärtigen habe. 
Als Kaiser Wilhelm II. sich auf seiner Romreise 1888 vom Staats- 
sekretär des Auswärtigen Amtes, dem Grafen Herbert Biemarck, beglei- 
ten ließ, äußerte dieser zu Crispi: „Die drei vereinigten Monarchien sind 
stark genug, um den Frieden zu erhalten. Wir dürfen une aber nicht die 
Freundschaft Englands verscherzen, dessen Macht uns im Mittelmeer so 
nötig ist.“ Lord Salisbury habe dem Kaiser neuerdings gesagt, er werde 
im Mittelmeer im Einverständnisse mit der italienischen Regierung handeln. 
So war um die Wende der achtziger Jabre die Lage im Mittellän- 
dischen Meere kurz folgendermaßen: Erbitterter Gegensatz zwischen Italien 
und Frankreich; auf dem Lande Zollkrieg, in Afrika ständige Reibereien. 
Ztalien hatte das Gefühl seiner Schwäche zur See Frankreich gegenüber, 
siebt sich aber durch das Einverständnis Großbritanniens mit der Politik 
des Dreibundes, im besonderen mit der italienischen Mittelmeerpolitik 
wirksam gedeckt. Für Großbritannien steht in allererster Linie die ägpp-
	        
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