Der Helgoland- und Sansibarhandel. 43
Anschlusses an Großbritannien. Es liegt auf der Hand, daß die britischen
Staateomänner schnell zugriffen und die Gelegenheit ausnutzten, besonders
da sie wußten — wahrscheinlich sogar selbst suggeriert hatten —, daß Caprivi
den deutsch-russischen Neutralitätsvertrag fallen zu lassen entschlossen war.
So hatte Caprivi von seinem Standpunkte wenig fortgegeben, um
viel dafür einzutauschen. In Deutschland war man durchweg anderer
Ansicht, und auch heute ist es kaum möglich, sich des Glaubens zu ent-
schlagen, daß es politisch und sachlich nicht nötig war, alle jene afrikanischen
Gebiete preiszugeben. Freilich, die Politik wird von Personen gemacht,
und so beruhte die Art jenes Handels auch auf den persönlichen Uberzeu-
gungen und relativen Fähigkeiten Caprivis. Es ist nicht richtig, zu sagen,
daß er sich von England habe „übertölpeln“ lassen, denn er hatte sich
subjektiv vollkommen klare Urteile über die zur Verhandlung stehenden
kolonialen und rein politischen Tauschwerte gebildet. Caprivi und Lord
Salisbury maßen nicht mit ungleichen, sondern mit ganz ungleichartigen
Maßstäben. Caprivis Wertbemessung der Kolonien war unrichtig, Lord
Salisbury hatte nicht die Fähigkeit, in Helgoland einen Zukunftswert
zu erblicken.
Wer heute abschätzen will, wieviel von den deutschen Ergebnissen
jenes Tauschhandels wesentliche positive Bedeutung behalten hat, wird
weit vor allem die Insel Helgoland finden. Die negative Bedeutung, mit
anderen Worten der Berlust jener großen afrikanischen Gebiete, bleibt
natürlich Verlust, während die Insel Sansibar, besonders auch als Zu-
kunftswert, ebenso weit überschätzt worden ist wie die Walfischbucht. Es
ist schwer, jene aufgegebenen afrikanischen Gebiete mit der Insel Helgo-
land in Vergleich zu stellen, weil beide der Art und dem Gebiete des Wertes
nach zu verschieden sind. Will man sie aber usiter einen Generalnenner
bringen, so ist als solcher nur der Zustand anzuerkennen, welcher vorhanden
war, als der Tauschhandel noch nicht stattgefunden hatte. Man könnte
einwenden, daß, ehe wir Helgoland hatten, kein Mensch nachteilig emp-
fand, daß wir es nicht besaßen, und, wenn sich später ein Wert entwickelt
habe, dieses auch bei den afrikanischen Gebieten, die deutscherseits auf-
gegeben wurden, der Fall gewesen sein würde. Diese Beweisführung
ist aber nicht richtig, denn die, wenn man so sagen darf, unmittelbar inter-
essierte Stelle: die deutsche Marine, war sich eines erheblichen Wertes
der Insel Helgoland wohl bewußt; in erster Linie begriff man, daß in der
Hand einer anderen Seemacht die Insel ein Pfahl im deutschen Fleisch war.
Dieser „negative“ Wert war klar. Der positive ist erst viel später allgemein
in Deutschland anerkannt worden.