46 1. Abschnitt. Bon Rußland zu Großbritannien. 1887—1894.
Kriege dem DOeutschen Reiche unbedingt wohlwollend neutral bleiben
werde und als Gegner niemals in Betracht kommen könne.
Recht hatte Bismarck mit der Bemerkung, die Insel könne für uns
nur Wert haben, wenn sie sehr stark befestigt sei. Er sagte das zur BVerstär-
kung der Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Erwerbung. SHeute
können wir dieses Bedenken nicht als richtig anerkennen, aber man ver-
steht es wenigstens bistorisch im Gedanken an die Kämpfe, welche Bismarck
und auch noch seine nächsten Nachfolger um die nötigsten Aufgaben und
um Summen, die absolut und verhältnismäßig sehr gering waren, durch-
fechten mußten. Tatsächlich hat es lange gedauert, bis Helgoland jene
notwendige starke Befestigung bekommen hat. Zunächst freilich mußte
eine Befestigung im großen Maßstabe hinter den Bedürfnissen der Flotte
und Küstenverteidigung mit Recht zurückgestellt werden. Sie waren in
der Tat dringender.
Als der Reichskanzler v. Caprivi im Reichstage das Abkommen ver-
teidigte, äußerte er sich über die Insel Helgoland mit den folgenden Sätzen:
„Die Insel Helgoland, die wir dabei bekommen haben, wurde ja allgemein
für ziemlich wertvoll gehalten, wenigstens spricht man ihr ein pretium
affectionis zu, — man gibt auch zu, wenigstens ein Teil der Menschen,
daß sie für die Verteidigung unserer Nordseeküsten einen gewissen Wert
haben könnte. Ich schlage den Erwerb dieser Insel in dem Vertrage —
und das kann ich jetzt sagen — ungleich höher an, den negativen Wert.
Stellen Sie sich vor, was geworden wäre, wenn die Insel, von der man
sagt, sie war für die Engländer ziemlich wertlos — und das mag ja richtig
sein —, aus englischen Händen in andere übergegangen wäre. England
hat Bedürfnisse in allen Weltteilen, hat Besitzungen rund um den Erdball,
und es möchte am Ende nicht ganz schwer geworden sein, für England
ein Tauschobjekt zu finden, das ihm willkommen gewesen wäre, und für
das es wohl geneigt gewesen wäre, die Insel fortzugeben. Ich möchte ein-
mal den Entrüstungssturm — und in diesem Falle würde ich ihn für be-
rechtigt gehalten hbaben — gesehen haben, wenn im Laufe von Zahr und
Tag oder kurz vor Ausbruch eines künftigen Krieges die englische Flagge
von Helgoland heruntergegangen und eine uns weniger nabestehende
vor unseren Häfen erschienen wäre.“
Wir wissen nicht, ob Caprivi tatsächlich begründete Besorgnis hat
hegen können, daß Helgoland durch Tausch in die Hände Frankreichs.
überginge. Die Annahme klingt recht unwahrscheinlich, stand aber nicht
außerhalb des Bereiches der politischen Möglichkeit. Seine Begründung
des Wertes der Insel ist deshalb nicht eben inhaltreich; England zieht er
— von seinem Standpunkte folgerichtig — nicht als möglichen Gegner in
Betracht.