Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Am Ende der Amtsführung Caprivis. 53 
  
Zm britischen Kabinette war gegen Ende des Jahres 1892 Lord 
Salisburp durch Gladstone ersetzt worden; Staatssekretär des Auswär- 
tigen war Lord Rosebery. Der Reichskanzler Caprivi hatte im Reichs- 
tage das Vertrauen ausgesprochen, diese neuen Männer würden ebenso 
eifrig die englisch-deutschen Beziehungen pflegen wie Lord Salisbury. 
Zener versuchte Kongovertrag Englands zeigte aber schon eine gewisse, 
nicht sehr freundschaftliche Hinterhältigkeit, und als 1894 Lord Rosebery 
Premierminister wurde, trat eine entschiedene Schwenkung nach Ruß- 
land hin bervor. Der Prinz von Wales reiste — wie die „Times“ sagten, 
als „Sonderbotschafter“ — nach St. Petersburg und wurde dort mit 
freundschaftlicher Spmpathie begrüßt. Die russisch-englischen Schwierig- 
keiten in Mittelasien wurden durch ein Abkommen zeitweilig beigelegt, 
und die englische Presse begann bereits mit Recht von einer Isolierung 
Oeutschlands zu sprechen. 
Im selben Zahre schickte die deutsche Regierung zwei Kriegeschiffe 
nach der Oelagoabai als Demonstration gegen indirekte englische Ein- 
mischung in portugiesische Streitigkeiten. Daraufhin schrieb die Trans- 
vaaler „Volks Stem“: „Bisher haben die Oeutschen uns gegenüber die 
Engländer immer frei schalten lassen; endlich scheint man in Berlin die 
Verkehrtheit dieser Politik eingesehen zu haben. Zm Namen des trans- 
vaalischen BVolkes bringen wir Deutschland unseren Dank.“ Oer südafrika- 
nische Knoten begann sich zu schürzen, und die ODelagoabai wurde von 
den Buren mit dem richtigen Instinkt der Besorgnis als der gefährliche 
Punkt erkannt. 
Am 1. November 1894 starb Zar Alexander. Kurz vorher war der 
Reichskanzler v. Caprivi zurückgetreten, nachdem er noch das Biemarcksche 
Verbot vom Jahre 1887, russische Werte zu beleihen, aufgehoben hatte. 
Die MaPnnahme wurde „als ein Akt hoher Gerechtigkeit“ in Rußland 
gepriesen, blieb aber naturgemäß ohne politischen Einfluß, während 
anderseits selbstverständlich war, daß eine solche Ausnahmebestimmung 
nicht für die Dauer berechnet sein konnte. Bismarck selbst hat nach seinem 
Rücktritte geäußert: es sei nur eine Gelegenhbeitsmaßnahme gewesen. 
In Frankreich wurde der Präsident Carnot ermordet, und als Minister 
des Auswärtigen begann der geschickte Gabriel Hanotaux eine eifrige 
und erfolgreiche Tätigkeit. Hanotaux trieb eine Politik, die ihren Me- 
thoden nach beweglich und vorurteilsfrei war, auch im politischen Ver- 
kehr mit Mächten, zu denen Frankreich in nicht guten Beziehungen stand, 
zumal mit dem Deutschen Reiche und Großbritannien. 
Der Schluß der Caprivischen Amtezeit zeigt das Deutsche Reich im 
Zustande einer tastenden politischen Orientierung nach Auflösung der 
von Biemarck geschaffenen Konstellation. Deutschlands beide großen fest-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.