Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Vogt schloß mit den Worten: „Schlagen wir einige Mittel vor, um eine be- 
waffnete Macht um Sie zu versammeln und zu Ihrem Dienste zu nehmen. 
Ohne eine solche Macht — täuschen Sie sich nicht — werden Sie nichts 
durchsetzen.‘ 
In dieser Verbindung gewinnen die vorher schon zitierten Sätze Treitsch- 
kes ihre volle politische Bedeutung: 
„Nein, die Zersplitterung Deutschlands wird aufrechterhalten: nicht 
durch den Standeshaß der Deutschen, sondern allein durch die Inter- 
essen der Fürstenhöfe und ihres Anhangs. Wir stehen — wie die Schweiz 
und die Niederlande in den Zeiten der Französischen Revolution — vor 
einem jener verhängnisvollen Wendepunkte der Geschichte, wo alles mög- 
lich scheint, weil die Herrschenden allein ernstlich wünschen, das Bestehende 
zu erhalten. Aber hinter dem dynastischen Partikularismus drohen die 
Kronen aller vereidigten Heere, droht das ganze Rüstzeug der organisierten 
Staatsgewalt ... Er bedarfder Gründenicht, ererfreutsich der Macht, 
und dieser gewaltigen Macht haben die Patrioten vorläufig sehr geringe 
Mittel entgegenzusetzen. Nur unerträgliche, stündlich quälende Leiden er- 
füllen ein Volk mit jener großen politischen Leidenschaft, die rettende Ent- 
schlüsse gebiert.‘“ 
* 
Die militärische Macht, die die Frankfurter Nationalversammlung nicht 
besaß, hatte Bismarck in der Gestalt Preußens. 
Mit der Ablehnung Friedrich Wilhelms des Vierten war die National- 
versammlung endgültig gescheitert. Ihr bald darauf erfolgendes unrühm- 
liches Ende interessiert hier nicht weiter. Wohl aber ist auch heute noch, und 
gerade heute, im nationalsozialistischen Reich von Interesse, wie sich in den 
Hauptzügen die Nationalversammlung ihr Deutsches Reich nach seiner 
Inneneinrichtung dachte. Diese Inneneinrichtung mußte, wie die Dinge eben 
lagen, ein Kompromiß zwischen den Befugnissen der Einzelfürsten und 
denen des Reichsoberhauptes sein. 
Das Reichsoberhaupt mit seinem parlamentarischen Apparat sollte be- 
stimmen: die auswärtige Politik, den diplomatischen Verkehr, völkerrecht- 
liche Beziehungen, Bündnisse, Handelsverträge und so weiter. Dem Reich 
sollte unterstehen die Entscheidung über Krieg und Frieden, in seinen 
Händen sollte liegen die Wehrverfassung zu Lande und zur See. 
Vom Reiche einheitlich zu regeln war der gesamte Verkehr vom Eisen- 
bahnwesen bis zu den Landstraßen, der Post und des Telegraphen. Dem 
Reiche unterstand die Regelung der gesamten Zollpolitik und der Ver- 
brauchssteuer, ferner Münzwesen, Bankgesetzgebung, Handels- und Wech- 
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