recht gelegen. Er nahm einen Haufen von steter Beunruhigung und un-
bequemster Rücksichtnahme dem Staatsmann Bülow ab.“ — Von der eben-
falls eingetroffenen Kaiserin schreibt Eulenburg, sie habe wenig Grund ge-
habt, Bismarck zu lieben, und ‚‚diese edle Frau, die so viel Herzenstakt
besaß, daß sie genau wußte, was sie als Landesmutter dem deutschen Volk,
bei seinem nationalen Schmerz, schuldete, war andererseits zu ehrlich und
aufrichtig, um wirklichen Schmerz ‚zeigen‘ zu können. Sie hatte sich in ein
schwarzes Trauerkleid und Hut von oben bis unten geflüchtet und dasgütige
Lächeln nach Möglichkeit gebannt. Das war wohl alles.“
Am Tage nach dem Tode Bismarcks, dem 1. August, veröffentlichte der
„Berliner Lokal-Anzeiger das Abschiedsgesuch Bismarcks vom 18. März
1890 durch den Bismarck vom Kriege her bekannten Journalisten Moritz
Busch. Darauf großer Schrecken und Zorn beim Kaiser, Bülow und dem
Gefolge. Eulenburg schreibt:
„Wer hatte diese traurige Reminiszenz, diese Herausforderung, an-
gesichts des noch auf dem Totenbett ruhenden Bismarck, in die Öffentlich-
keit geschleudert ? Ohne Herbert, Rantzau, die Familie gefragt zu haben,
konnte doch wohl kaum Busch diese Fehde eröffnet haben. Wollte man
durch diesen ‚Preller‘ den Kaiser abhalten, nach Friedrichsruh zu kommen ?
Wollte die Familie durch eine Handlung, die dem ausgesprochenen Willen
des Kaisers entgegenstand, erklären, daß das Tischtuch zwischen ihr und
dem Kaiser vor aller Welt definitiv entzweigeschnitten sei? — Das waren
wieder harte Stumpen für den armen Kaiser, und meine Unterhaltung mit
ihm und Bülow wurde mir schwer, weil ich ihn sehr leiden sah.‘ — ‚Nicht
einmal Frieden angesichts des Toten‘, sagte der Kaiser.
Trotzdem fuhr dieser mit großem Gefolge nach Friedrichsruh, die Familie
Bismarck empfing ihn nit kalter Höflichkeit. Er legte einen Kranz auf den
Sarg, hörte eine Predigt an, dann fertigte der Chef des Zivilkabinetts des
Kaisers noch an Ort und Stelle einen schwungvollen Nachruf in Gestalt
eines Kaiserlichen Erlasses an, der in hohen Worten doch weit entfernt war,
der Persönlichkeit und dem Werk Bismarcks gerecht zu werden. Der Erlaß
schloß mit den Worten:
„Mich aber drängt es, vor der Welt der einmütigen Trauer und der dank-
baren Bewunderung Ausdruck zu geben, von welcher die ganze Nation heute
erfüllt ist, und im Namen der Nation das Gelübde abzulegen, das, was er,
der große Kanzler, unter Kaiser Wilhelm dem Großen geschaffen hat, zu
erhalten und auszubauen, und, wenn es not tut, mit Gut und Blut zu ver-
teidigen. Dazu helfe Uns Gott der Herr.‘‘ — Wieder war alles unwahrhaftig
und auf persönlichen Effekt zugunsten des Kaisers in der Öffentlichkeit
berechnet!
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