Full text: Von Potsdam nach Doorn.

ganze deutsche Handelsflotte uns auf Gnade und Ungnade ausgeliefert 
sein ... In der ersten Woche nach der Kriegserklärung würde Deutschland 
einen Verlust von vielen Millionen Pfund Sterling durch die Wegnahme 
seiner Handelsschiffe erleiden. Aber das ist doch nicht alles. In unseren Kolo- 
nien haben sich viele deutsche Handelshäuser niedergelassen, die trotz 
scharfer Konkurrenz gute Geschäfte machen. Der Krieg würde diese Han- 
delshäuser vernichten, sie zwingen, zu jedem Preis zu verkaufen und nach 
Hause zu gehen. Die deutschen Dampferlinien würden zugründe gehen, die 
deutschen Hansestädte, hauptsächlich Hamburg und Bremen, ebenfalls.‘ 
Eine Blockade der kurzen deutschen Küsten sei eine Kleinigkeit. Der Artikel 
malte dann im einzelnen aus, wie man Deutschlands Außenhandel und 
Innenhandel zugrunde richten werde, und wie zufrieden Frankreich und Ruß- 
land sein würden, aus Deutschlands Niederlage großen Nutzen ziehen zu 
können. ‚Die meisten Mächte würden nicht wenig erfreut sein, wenn die an- 
maßendste Macht in Europa einige nützliche Demütigungen zu erleiden 
hätte. Gerade jetzt ist Deutschland alles andere als beliebt ; die Aussicht, daß 
es einen starken Stoß bekommen könnte, würde also den übrigen Völkern 
keineswegs unangenehm sein. Natürlich würde die Macht mit der größten 
Flotte sich nach dem Siege die besten Stücke aussuchen.“ 
Der frühere großbritannische Premierminister, Lord Roseberry, erklärte 
um dieselbe Zeit in einer Versammlung: 
„Die Störung des Verhältnisses zwischen Großbritannien und Deutsch- 
land führe er nicht nur auf die Transvaal-Frage zurück, sondern vor allem 
darauf, daß Deutschland Großbritannien auf wirtschaftlichem Gebiet zu 
überflügeln beginnt. Er sei vollständig überrascht von den technischen und 
kommerziellen Fortschritten der Deutschen; der deutsche Wettbewerb auf 
diesen Gebieten sei eine Gefahr für die Zukunft. Deutschland besitze das voll- 
kommenste System technischer Ausbildung und sei daher der gefährlichste 
Konkurrent Großbritanniens und bedrohe den britischen Handel sogar in 
Indien und Ägypten.‘ — In einer anderen Rede sagte der Lord: ‚‚Wir sind 
bedroht durch einen furchtbaren Gegner, der uns benagt, wie das Meer die 
schwachen Partien einer Küste benagt. — Ich meine Deutschland. Der 
Handel des Vereinigten Königreichs hörte nicht auf, sich zu verringern, und 
was er verliert, das gewinnt in der Hauptsache Deutschland !“ 
Diese Behauptung war eine Unwahrheit:: der englische Handel wuchs jähr- 
lich, aber der Handel Deutschlands wuchs damals in einigen Zweigen 
schneller. 
14 Reventlow: Von Potsdam nach Doorn 321
	        
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