Full text: Von Potsdam nach Doorn.

rung nahestehende Zeitung einen flammenden Artikel mit der Überschrift: 
„Die brennende Frage von Alsace-Lorraine“. Wir dürfen die damaligen Ver- 
hältnisse und Anschauungen nicht mit den heutigen vergleichen. Die An- 
schauung und Tat Adolf Hitlers: die Beseitigung der ewig wiederkehrenden 
Grenz- und Gebietsfrage zwischen Frankreich und Deutschland durch den 
Verzicht Elsaß-Lothringens steht staatsmännisch. auf einer viel höheren 
Ebene. Wir wissen auch, daß Bismarck sich lieber mit den deutschsprechen- 
den Teilen der damaligen Reichslande begnügt gehabt hätte, aber durch die 
militärische Forderung des Generalstabs zur Eingliederung der Festung 
Metz gezwungen wurde. Und späterhin die Reichslande ganz oder teilweise 
freiwillig an Frankreich zurückzugeben, würde sicher nicht zu einer fran- 
zösisch-deutschen dauerhaften Freundschaft geführt haben. Die fran- 
zösische Revanchelust, die bisweilen ein paar Jahre schlief und, sowie ein 
General oder ein Mann wie Clemenceau politisch in den Vordergrund kam, 
sofort wieder aufflammte, galt nicht allein den verlorenen Provinzen, son- 
dern der verlorenen Vormacht auf dem Kontinent und der deutschen Einheit 
und Macht. Die Probe auf dieses Exempel hat Deutschland nach dem Kriege 
und besonders nach 1933 höchst beweiskräftig erfahren. In einem Zwei- 
frontenkriege damals würde ein deutsch-englisches Bündnis nicht stand- 
gehalten haben, denn aus einer Reihe von Gründen zog England ein mäch- 
tiges Frankreich bei weitem einem mächtigen Deutschland vor. 
Außerdem ist nicht zu vergessen, daß in den achtziger und neunziger 
Jahren — es wurde schon vorher angedeutet — von allen Mächten, die es 
sich geldlich nur irgend leisten konnten, eine äußerst tatkräftige Vermehrung 
der Seestreitkräfte stattfand und sich in das neue Jahrhundert hinein fort- 
setzte. Schon im Hinblick auf seinen Rang als seefahrende Großmacht 
mußte das Deutsche Reich für alle Fälle und nach allen Seiten eine ganz er- 
hebliche Streitmacht zur See besitzen. 
Man hat der deutschen Flottenbaupolitik auch den Vorwurf gemacht, 
nicht ein gegenseitiges Stärkeabkommen mit Großbritannien eingegangen 
zu sein. Das ist geschichtlich unrichtig, denn das Deutsche Reich hat ein 
solches Angebot gemacht, in Gestalt eines Stärkeverhältnisses von 12 zu 16. 
Die großbritannische Regierung erklärte sich einverstanden, mit dem Vor- 
behalt, daß die Seestreitkräfte der Dominions nicht mitzuzählen hätten. 
Auch das wurde deutscherseits zugestanden. Die großbritannische Re- 
gierung ist gleichwohl nie auf die Sache zurückgekommen. 
Alles in allem ist die Behauptung bei nüchterner Abwägung von Grund 
aus unrichtig, daß der deutsche Flottenbau, gerade im Hinblick auf Groß- 
britannien, ein Fehler gewesen sei. Richtig war auch der von Tirpitz aus- 
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