Full text: Von Potsdam nach Doorn.

Was konnten bei solchen und ähnlichen Worten nachträgliche Erklärun- 
gen des Staatssekretärs des Reichsmarineamts helfen und sachliche Re- 
gierungsdarlegungen, daß Deutschland nicht daran denke, etwas anderes zu 
wollen als eine Flotte von genügender Stärke zu einem Kriege der Verteidi- 
gung! Aber das Wort blieb und ist geblieben bis zum bitteren Ende. Schlim- 
mer noch war folgendes: Der Kaiser und der Zar hatten eine Begegnung auf 
See. Als der Besuch zu Ende war, und die beiden Schiffe sich voneinander 
entfernten, ließ der Kaiser an den Zaren das Flaggensignal machen: ‚Der 
Admiral des Atlantischen Ozeans grüßt den Admiral des Stillen Ozeans!‘ 
— Der Zar antwortete trocken mit dem Signal: ‚Gute Reise.‘‘ Die beiden 
Signale gingen durch alle Zeitungen der Welt. Das des Kaisers wurde weid- 
lich ausgenutzt als neue Drohung Wilhelms II. gegen England: die See- 
herrschaft auf dem Atlantischen Ozean. Natürlich wußte man in London 
genau, daß auch diese kaiserliche Rodomontade ebenso leer war wie die 
anderen. Als Agitationsstoff war sie unschätzbar: den Atlantischen Ozean 
wolle der Kaiser beherrschen und sperren! Die große Verbindungsstraße 
zwischen Großbritannien und Indien und allen Gliedern des Empire und 
den überseeischen Zufuhrländern und Märkten! Das war ja wieder eine 
offene Herausforderung des gesamten britischen Reiches, auch die Auf- 
forderung an den Zaren, die russische Expansion in Ostasien nicht nur zu 
Lande, sondern auch zur See gegen die Bundesgenossen England und Japan 
zu treiben. 
Ein anderes Mal erklärte Wilhelm II.: ohne Zustimmung des Deutschen 
Kaisers könne kein Kanonenschuß im Bereiche irgendeines Teiles der Erd- 
oberfläche mehr abgeschossen werden: die Presse Großbritanniens, Frank- 
reichs und der Vereinigten Staaten zeigte selbstverständlich hohe Ent- 
rüstung und schwere Besorgnisse für den Weltfrieden, denn in der Rede des 
Kaisers liege deutlich enthalten, daß er die Weltherrschaft wolle: sein Wort 
solle für alle Völker der Erde Befehl sein. Fortwährend und auf jegliche Art 
und Weise gefährde der Kaiser den Weltfrieden, man brauche ja nur seine 
Reden zu lesen. Alle Völker, voran die angelsächsischen Staaten, wollten den 
Frieden und die Freiheit der Welt, sie empfänden mit Schmerz und Em- 
pörung, daß der Kaiser bewußt für den Krieg arbeite aus maßlosem Ehrgeiz, 
Ruhmsucht und Eroberungslust. 
Einige Jahre später äußerte der Kaiser in einer Rede, er denke nicht daran, 
nach einer ‚‚öden Weltherrschaft‘ zu streben. Er sagte dies in einem Ton, als 
wenn er, falls er nur wolle, von einem Tage zum anderen, die Herrschaft über 
die Welt übernehmen könne. Aber abgesehen davon — der Schaden, den 
seine Reden anrichteten, war nicht wieder gutzumachen. Im Auslande hielt 
man Wilhelm II., wenn deutsche Zeitungen für die friedliche Gesinnung 
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