des Kaisers, sich auf diese Weise gegen Kritik salvieren zu können. An das
Komische grenzte schon: daß der Kaiser als Präsidium des Bundes der deut-
schen Fürsten und als Diener der Verfassung erscheinen, als König von
Preußen nur Gott verantwortlich sein wollte. Auch in Preußen aber bestand
eine Verfassung, auf die der König sich verpflichtet hatte. In Preußen gab es
dieselben politischen Parteien wie im Reich, und die gesamten Bundes-
staaten hatten ebenfalls ihre Verfassungen. Derartige Berufungen Wil-
helms II. auf die Ausschließlichkeit seiner Verantwortlichkeit Gott gegen-
über brachte zu allem anderen Unheil die Bundesfürsten in Verlegenheit und
beunruhigte deren ‚Untertanen‘ je nach ihrer Parteirichtung schwer. Auch
das Bundesverhältnis konnte in Krisen kommen, wenn, wie es nicht selten
geschah, im Parlament eines Bundesstaates Beschwerden, mit Beschimpfun-
gen gemischt, gegen den Kaiser und König von Preußen losgelassen wurden.
Während der Kaiser also für sich durch derartige Reden nichts besserte,
sondern alles verschlechterte und schwieriger machte, merkte man im Lande
bald genug, daß Wilhelm II. seinem Wesen nach niemals fähig sein würde,
einen Staatsstreich auch nur zu versuchen ; man begriff allmählich, daß seine
Reden nur ein Abreagieren seiner Sehnsüchte waren, die zu verwirklichen er
nicht der Mann war. So wurden schließlich diese theatralischen Ausbrüche
für die offenen und verkappten Feinde der Monarchie zu willkommenen
Propagandamitteln. Die Hetzagitation der westlichen Demokratien aber
sprach mit moralischem Schaudern von dem reaktionären Herrschertum des
Deutschen Kaisers und freute sich über das Wachsen der Sozialdemokratie
und demokratischer Anschauungen.
Der Standpunkt: Ich fühle mich lediglich Gott verantwortlich, ist an sich
nicht anfechtbar. Den Begriff der Verantwortlichkeit, in höchstem Sinne
genommen, kann dasein Kaiser und ein König sagen, aber auch jeder andere
Mensch. Dieses Verantwortlichkeitsgefühl entbindet aber weder den Mon-
archen, noch einen Beamten oder Arbeiter von ihren irdischen Verantwort-
lichkeiten und Verpflichtungen. Die Vermischung dieser beiden Verantwort-
lichkeiten von zwei getrennten Standpunkten aus war Sophistik. Dazu kam
die scheinbare Auffassung seines Gottesgnadentums in dem Sinne, wie ihn
frühere Jahrhunderte mit demselben verbanden. Daß er im Sinne seines
Großonkels, Friedrich Wilhelm IV wirklich geglaubt hätte: vom Augen-
blick der Thronbesteigung an trete er mit Gott in ein besonderes Verhältnis
der Inspiration, ist, trotz allem, zu bezweifeln. Stimmungen solcher Art mag
der Kaiser bisweilen gehabt haben, die vielleicht aus derselben Wurzel seines
Wesens kamen, wie seine Überheblichkeit, die ihm schon eigen gewesen war,
als er noch lange nicht die Regierung angetreten hatte.
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