Full text: Von Potsdam nach Doorn.

man hat Meine Befehle nicht oder falsch ausgeführt! Ähnlich urteilt Beth- 
mann-Hollweg über sich selbst nach dem Kriege: er habe immer das Rich- 
tige gewollt, es aber leider nicht durchsetzen können. Für Botschafter, Ge- 
sandte usw. im Auslande wurde es zu selbstverständlicher Berufs- und Amts- 
pflicht, den Deutschen Kaiser dort zu preisen und als die überragende 
genialste Herrschergestalt der Welt und der Geschichte hinzustellen oder 
bereitwillige Federn für diesen Zweck in Tätigkeit zu setzen. Die Zeitungs- 
artikel oder Reden wurden den Gesandtschaftsberichten beigelegt und bil- 
deten die Maßstäbe für die vaterländische Leistung und den Wert des be- 
treffenden Vertreters des Deutschen Reiches im Auslande, als Reklamechefs 
für die Majestät, die ihr Land herrlichen Zeiten entgegenführte. Kaum 
braucht gesagt zu werden, daß das Ergebnis entgegengesetzt war: nur zum 
Schaden! 
In höchster Vollendung stellte dies ein vom Kaiser dorthin geschickter 
Botschafter in den Vereinigten Staaten, Freiherr Speck von Sternburg, dar. 
Wenn dieser den Kaiser als Universalgenie pries, so fand man das dort ‚‚very 
funny‘, und der Präsident Theodore Roosevelt gab diesem Botschafter des 
Deutschen Reichs den Kosenamen Specky, behandelte ihn ungefähr wie 
seinen Hausnarren. Diese und ähnliche Reklamen erhöhten weder das An- 
sehen des Kaisers im Auslande, noch das Vertrauen zu ıhm. Man erklärte 
überall nur, daß Wilhelm II. eine Unruhe in die Welt bringe, die vorhernicht 
dagewesen sei und den Weltfrieden bedrohe. Kam der Kaiser nach England 
und erzählte er nach seiner Rückkehr befriedigt: jenseits der Nordsee habe 
man eine ungeheure Achtung vor den Fortschritten der deutschen Technik, 
so befand er sich in dem folgenschweren Irrtum, daß der Engländer sich über 
solche Ergebnisse ‚‚des friedlichen Wettbewerbs der Nationen“ in verwandt- 
schaftlicher Herzlichkeit freue. Das gerade Gegenteil war der Fall: Eifer- 
sucht und wachsender Grimm waren die selbstverständliche Folge, außer- 
dem empfand man es als eine taktlose Renommage. 
Während der Kaiser und sein Onkel einander haßten und in Abwesenheit 
jeder den anderen mit wenig freundlichen Bezeichnungen belegten, gelang es 
dem Kaiser auch nicht, mit Souveränen befreundeter Staaten ın ein näheres 
persönliches Verhältnis zu gelangen. Eine Ausnahme bildete nur der alte 
Franz Joseph, den der Kaiser ja mit einer politisch wenig gerechtfertigten, 
tiefen, kritiklosen Ehrfurcht umgab. Auch dieses patriarchalische Verhältnis 
hat dazu beigetragen, daß die Politik des Reiches in das Schlepptau der 
Habsburg-Monarchie gelangte. Dem König von Italien und dem Zaren ver- 
suchte der Kaiser, allzu vormundhaft, als der ältere, an Begabung weit über- 
legene und erfahrenere ‚Kollege‘, in der von ihm bevorzugten drastischen 
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