Full text: Von Potsdam nach Doorn.

„Der flinke König hüpfte auf und ab 
Mit seichten Spaßern und mit strohernen Köpfen, 
Leicht lodernd, leicht verbrannt; vertat die Würde, 
Vermengte seinen Hof mit Possenreißern, 
Ließ ihren Spott entweihen seinen Namen.“ 
Dem Fehlen der Würde entsprach die Neigung des Kaisers, sie durch Pose 
und zur Kostümierung, die ja demselben Wesen entsprechen, zu ‚ersetzen‘. 
Er erschien bei Besuchen fremder Souveräne in der Uniform eines ihm in 
dem betreffenden Lande gehörigen Regiments, versuchte, auch Gesicht und 
Haltung dem des dortigen Offiziertyp anzupassen, sei es der russische, der 
englische oder der österreichische, und so weiter. Jene unter den Souveränen 
übliche Ehrung, einander gegenseitig zum Chef eines Regiments zu ernennen, 
gab Wilhelm II. außerdem Gelegenheit, die Grenzen des Taktes zu über- 
schreiten. Er mischte sich so eindringlich in die Angelegenheiten ‚‚seines‘ 
englischen Regiments, daß man dieses nach Indien schickte. Der Kaiser 
nahm dies als bewußte Kränkung. Sein russisches Regiment wollte er einmal 
durch seinen Besuch überraschen und gleichzeitig alarmieren. Nur mit 
größter Mühe konnte er davon abgehalten werden, aber natürlich wurde es 
bald bekannt. Solche und andere formale Dinge nahm der Kaiser tief ernst, 
wie Äußerlichkeiten überhaupt. Zu Einladungen der großbritannischen Bot- 
schaft ging Wilhelm II. in seiner englischen Admiralsuniform. In deutscher 
Admiralsuniform, sagte man, ging er in die Königliche Oper, wenn der ‚‚Flie- 
gende Holländer‘ gegeben wurde. Und umgekehrt: der diensttuende 
Kammerherr von Kotze legte in Berlin eine grüne Krawatte an, wenn Seine 
Majestät auf Jagd war. 
Mit steinerner majestätischer Miene erschien der Kaiser überall da, wo er 
von der Bevölkerung gesehen werden konnte. Hatte er sich vorher scheinbar 
zwanglos und lebhaft mit starken Gesten und fortwährend wechselndem 
Gesichtsausdruck und schallendem Lachen unterhalten, so erstarrten seine 
Züge und seine Gestalt, sobald er vom ‚Volk‘ gesehen wurde. Er war des 
Glaubens, daß die Untertanen ihn immer als die Verkörperung einer hoch 
über ihnen schwebenden, hieratisch stilisierten Majestät sehen müßten. Bei 
manchen Besichtigungen hatte der Kaiser sich angewöhnt, zum Beispiel 
beim Abgehen einer Front, eine ähnliche Haltung einzunehmen, wie man sie 
auf Bildern von Friedrich dem Großen sieht: leicht gebückt, den Kopf schief 
geneigt, den Blick von unten nach oben gehend; eine Stellung, die bei Wil- 
helm II. durchaus weder zum Bau seines Gesichts, noch zu seiner Gestalt 
paßte, aber — es ging nicht anders! — er mußte — ähnlich wie. ın so vielen 
seiner Randbemerkungen — den großen König posieren. 
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