Full text: Von Potsdam nach Doorn.

schlagener Feind behandelt werden. Im Gegenteil wurde Frankreich vonden 
Mächten als Sorgenkind betreut, und in seinen vornapoleonischen Grenzen 
hergestellt. Auf dem Wiener Kongreß dachte man sogar sehr ernsthaftdaran, 
im deutschen Westen deutsches Gebiet an Frankreich zu geben. 
1815 trat der durch die Rückkehr Napoleons von Elba unterbrochene 
Wiener Kongreß wieder zusammen, im Geiste des ‚Legitimitätsprinzips‘“. 
Der Kongreß bedeutete im ganzen einen stillen, rücksichtslosen und ge- 
schickt geführten Kampf gegen den deutschen Gedanken. Talleyrand 
wußte, was wohl sonst damals wenigen der Vertreter deutlich geworden ist, 
daß Frankreich, nach wie vor, einem nicht geeinten, in drei Dutzend souve- 
räne Staaten zerstückelten Deutschland gegenüberstand, trotz Leipzig, trotz 
Waterloo seine beherrschende Stellung auf dem Kontinenteinnehmen konnte, 
die es seit dem Westfälischen Frieden durch große Staatsmänner geschaffen 
und als sein politisches Vorrecht seitdem angesehen und vertreten hatte. 
In Wien war auch die Rede gewesen von einer Herstellung des deutschen 
Kaisertums, wiederum unter Habsburg. Auf dem Kongreß schon begegnete 
man Vorschlägen, die‘ dann in der Frankfurter Nationalversammlung von 
1848 eine Rolle gespielt haben, eine größere als auf dem Wiener Kongreß, 
aber eine ebenso erfolglose. In Wien auch trat der Dualismus: Preußen— 
Österreich in die Erscheinung, ein Ausschuß deutscher Fürsten unterhielt 
sich über allerhand Vorschläge, z. B. Bildung eines nördlichen und einessüd- 
lichen Bundes deutscher Staaten, die einen unter Preußen, die anderen unter 
Österreich ; andere wollten zum Mittelalter zurück. 
Jene Unterhaltungen aber sind auch auf dem Kongreß ohne Bedeutung 
geblieben, und schließlich ging daraus jener ‚Deutsche Bund‘ hervor: der 
Bund, den der Jude Heine, leider mit Recht, schmähte: ‚‚O Bund, du Hund, 
bist nicht gesund!“ 
Die Frage liegt nahe, weshalb das Haus Habsburg nicht die Gelegenheit 
benutzte, das alte ‚Römische Reich Deutscher Nation‘ unter einem neuen 
Namen wieder aufzurichten. Weder die ausländischen noch die deutschen 
Staaten hätten ernsthafte Einwände dagegen gehabt. Der Grund scheint ge- 
wesen zu sein, daß man in Wien zu große Schwierigkeiten und Gefahren 
fürchtete, wie: aufsässige Fürsten, innere Kriege, die sich auch gegen Öster- 
reich richten könnten, außerdem kaum weniger schlimme politische Kom- 
plikationen aller Art. 
Viel praktischer und bequemer erschien für Österreich, besonders auch für 
das Haus Habsburg, der Deutsche Bund mit seinen zahlreichen durch Legi- 
timität geheiligten Monarchien, mit seinen Königen, Großherzogen und Für- 
sten ; der gemütliche Bund, in dem der Vertreter des österreichischen Kaiser- 
staates den Vorsitz führte und mit jedem einzelnen seine besonderen poli- 
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