Full text: Von Potsdam nach Doorn.

beide bereit, gegeneinander kompromißlos zu kämpfen ; 
zwischen beiden: der scheinreligiöse Deismus des Freimaurertums, in 
mannigfache Formen verkleidet, still und fest entschlossen, diebeiden 
Extreme unmerkbar zu seinen Gunsten zu wandeln. 
Mit diesen Gegensätzen hingen notwendig auch durchweg die politischen 
Stellungnahmen zusammen: 
kin schwerer Konflikt offenbarte sich auch gleich in den Debatten über 
die Wahl des Reichs-Oberhauptes. Die sogenannte Konstitutionelle 
Partei wollte einen deutschen Landesfürsten, die Demokraten verlangten 
einen dem Parlament verantwortlichen Präsidenten republikanischer 
Prägung. 
Als ein preußischer Abgeordneter den Antrag stellte, dem König von 
Preußen die deutsche Zentralgewalt zu übertragen, erfolgte allgemeines Ge- 
lächter, eine Stimmung, die sich freilich nachher wandelte, als man keinen 
anderen Ausweg zu sehen glaubte. 
Damals, im Anfang, jedoch stand man unter dem Eindruck des 18. und 
19. März, und Friedrich Wilhelm der Vierte wurde von der einen Seite ab- 
gelehnt wegen seines Mangels an Kraft und Willen, von der anderen als der 
blutige Tyrann, der auf seine Bürger hatte schießen lassen, um sich ihnen 
nachher gezwungen zu beugen. Als über den Punkt: Reichs-Oberhaupt zwei- 
hundert Reden gehalten worden waren, gelangte man durch den Präsidenten 
von Gagern auf den Ausweg, zunächst einen Reichsverweser zu wählen, und 
zwar ohne die deutschen Fürsten vorher zu fragen. Gegen die demokratische 
Linke wurde Erzherzog Johann von Österreich gewählt, ein auf- 
richtiger, einfacher Mann mit einem gewissen Verständnis für den Reichs- 
gedanken. Die Landesfürsten beanstandeten ihn nicht, Österreich äußerte 
sich überhaupt nicht. Bei dieser Gelegenheit sprach ein Mitglied der Natio- 
nalversammlung das nicht nur für diese Gelegenheit, sondern für lange Zeit 
richtige Wort: „Das Warten auf Österreich ist das Sterben der 
deutschen Einheit.“ 
Die geplante Bundesarmee war ein schwerer Stein des Anstoßes, weil nie- 
mand wußte, wie man sie zustande bringen konnte, ferner weil dıe Landes- 
fürsten verlangten, daß die verschiedenen Kontingente einer Bundesarmee 
ihren Eid auf ihren Landesfürsten ablegen müßten. Die Frankfurter Ver- 
sammlung begriff allmählich, was später Bismarck in seinem Konflikt mit 
dem Preußischen Landtage ausdrückte: „Nicht durch Reden und Majori- 
tätsbeschlüsse würden die großen Fragen der Zeit gelöst, sondern durch Blut 
und Eisen.“ 
Im ersten Stadium der Nationalversammlung hatte man den Antrag be- 
lacht, Friedrich Wilhelm dem Vierten die Kaiserkrone anzubieten. Rund ein 
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