Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1900. (34)

— 856 — 
e. Formaldehyd. 
Der Formaldehyd ist ein stark riechendes, auf die Schleimhäute der Luftwege, 
der Nase, der Augen reizend wirkendes Gas, das aus Formalin, einer im Handel 
vorkommenden, etwa 35 prozentigen wässerigen Lösung des Formaldehyds (Formal- 
dehydum solutum des Arzneibuchs) durch Kochen oder Zerstäubung mit Wasser- 
dampf oder Erhitzen sich entwickeln läßt. Das Formalin ist bis zur Benutzung 
gut verschlossen und vor Licht geschützt aufzubewahren. 
Der Formaldehyd in Gasform ist für die Desinfektion geschlossener 
oder allseitig gut abschließbarer Räume verwendbar und eignet sich zur Vernich= 
tung von Krankheitskeimen, die an frei liegenden Flächen oberflächlich oder doch 
nur in geringer Tiefe haften. Zum Zustandekommen der desinfizirenden Wir- 
kung sind erforderlich: 
vorgängiger allseitig dichter Abschluß des zu desinfizirenden Raumes durch 
Verklebung, Verkittung aller Undichtigkeiten der Fenster und Thüren, 
der Ventilationsöffnungen und dergleichen, 
Entwickelung von Formaldehyd in einem Mengenverhältnisse von wenigstens 
5 Gramm auf je 1 Kubikmeter Luftraum, 
gleichzeitige Entwickelung von Wasserdampf bis zu einer vollständigen 
Sättigung der Luft des zu desinfizirenden Raumes (auf 100 Kubik- 
meter Raum sind 3 Liter Wasser zu verdampfen), 
wenigstens sieben Stunden andauerndes ununterbrochenes Verschlossen- 
bleiben des mit Formaldehyd und Wasserdampf erfüllten Raumes; 
diese Zeit kann bei Entwickelung doppelt großer Mengen von Formal- 
dehyd auf die Hälfte abgekürzt werden. 
Formaldehyd kann in Verbindung mit Wasserdampf von außen her durch 
Schlüssellöcher, durch kleine in die Thür gebohrte Oeffnungen und dergleichen in 
den zu desinfizirenden Raum geleitet werden. Werden Thüren und Fenster ge- 
schlossen vorgefunden und sind keine anderen Oeffnungen (z. B. für Ventilation, 
offene Ofenthüren) vorhanden, so empfiehlt es sich, die Desinfektion mittelst 
Formaldehyds auszuführen, ohne vorher das Zimmer zu betreten, beziehungs- 
weise ohne die vorherigen Abdichtungen vorzunehmen; für diesen Fall ist die Ent- 
wickelung wenigstens viermal größerer Mengen Formaldehyds, als sie für die 
Desinfektion nach geschehener Abdichtung angegeben sind, erforderlich. 
Die Desinfektion mittelst Formaldehyds darf nur nach bewährten Methoden 
ausgelibt und nur geübten Desinfektoren anvertraut werden, die für jeden ein- 
zelnen Fall mit genauer Anweisung zu versehen sind. Nach Beendigung der 
Desinfektion empfiehlt es sich, zur Beseitigung des den Räumen noch anhaftenden 
Formaldehydgeruchs Ammoniakgas einzuleiten. 
  
f. Dampfapparate. 
Als geeignet können nur solche Apparate und Einrichtungen angesehen 
werden, welche von Sachverständigen geprüft sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.