Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1904. (38)

 
In einem Hause, in welchem ein Cholerakranker sich befindet, können ge- 
werbliche Betriebe, durch welche eine Verbreitung des Ansteckungsstoffs zu be- 
fürchten ist, insbesondere Betriebe zur Herstellung und zum Vertriebe von Nah- 
rungs- und Genußmitteln, Beschränkungen unterworfen oder geschlossen werden, 
insoweit nach dem Gutachten des beamteten Arztes die Fortsetzung des Betriebs 
als gefährlich zu betrachten ist. 
Die Polizeibehörden der von der Cholera ergriffenen Ortschaften haben 
dafür zu sorgen, daß Gegenstände, von denen nach dem Gutachten des beamteten 
Arztes anzunehmen ist, daß sie mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet 
sind, vor wirksamer Desinfektion nicht in den Verkehr gelangen. 
Insbesondere ist für Ortschaften oder Bezirke, in denen die Cholera ge- 
häuft auftritt, die Ausfuhr von Milch, von gebrauchter Leibwäsche, alten und 
getragenen Kleidungsstücken, gebrauchtem Bettzeuge, Hadern und Lumpen zu 
verbieten. Ausgenommen sind zusammengepreßte Lumpen, welche in verschnürten 
Ballen im Großhandel versendet werden; ferner neue Abfälle, welche unmittelbar 
aus Spinnereien, Webereien, Konfektions- und Bleichanstalten kommen, Kunst- 
wolle, neue Papierschnitzel, unverdächtiges Reisegepäck und Umzugsgut. 
Bei gehäuftem Auftreten der Cholera ist in den von der Krankheit befallenen 
Ortschaften oder Bezirken das gewerbsmäßige Einsammeln von alten Kleidungsstücken, 
alter Leib- und Bettwäsche, Hadern und Lumpen im Umherziehen zu verbieten. 
Einfuhrverbote gegen inländische, von der Cholera befallene Ortschaften 
oder Bezirke sind nicht zulässig. Das Verbot der Einfuhr bestimmter Waren 
und anderer Gegenstände aus dem Auslande richtet sich ausschließlich nach den 
gemäß § 25 des Gesetzes in Vollzug gesetzten Bestimmungen. 
Für gebrauchtes Bettzeug, Leibwäsche und getragene Kleidungsstücke, welche 
aus einer von der Cholera betroffenen Ortschaft stammen und noch nicht wirksam 
desinfiziert worden sind, kann eine Desinfektion angeordnet werden. Im übrigen 
ist eine Desinfektion von Gegenständen des Güter- und Reiseverkehrs einschließlich 
der von Reisenden getragenen Wäsche- und Kleidungsstücke nur dann geboten 
und zulässig, wenn die Gegenstände nach dem Gutachten des beamteten Arztes 
als mit dem Ansteckungsstoffe der Cholera behaftet anzusehen sind. 
Weitergehende Beschränkungen des Gepäck- und Güterverkehrs sowie des 
Verkehrs mit Post-(Brief- und Paket- Sendungen sind nicht zulässig. 
In den von der Cholera befallenen oder bedrohten Bezirken können die in 
der Schiffahrt oder der Flößerei beschäftigten Personen einer gesundheitspolizei- 
lichen Überwachung unterworfen werden. Die Überwachung ist nach den in der 
Anlage 1 enthaltenen Grundsätzen einzurichten. 
4. Zu § 16. Jugendliche Personen aus Behausungen, in welchen ein 
Cholerafall vorgekommen ist, müssen, soweit und solange nach dem Gutachten 
des beamteten Arztes eine Weiterverbreitung der Krankheit aus diesen Behausungen 
zu befürchten ist, vom Schulbesuche ferngehalten werden. 
Das gleiche gilt hinsichtlich des Besuchs jedes anderen Unterrichts, an 
welchem mehrere Personen teilnehmen.
	        
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