Donauschiffahrt
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Kongreßakte wurden nähere Vorschriften über
die Schiffahrt auf dem Rhein, Neckar, der Maas,
Mosel und der Schelde gegeben. Nach diesem
Vorbilde sollten die Beschlüsse des Kongresses
durch Spezialkommissionen der beteiligten Mächte
für die übrigen internationalen Flüsse zur kon-
formen Ausführung kommen [] Binnen-
schiffahrtl. Bezüglich der Donau wurde
der Grundsatz des Wiener Kongresses erst durch
den Pariser Vt vom Jahre 1856 (a 15—19)
sormell ausgesprochen; zugleich erlangte der
Grundsatz bezüglich dieses Stromes eine erhöhte
internationale Sanktion, indem (a 15) erklärt
wurde, daß die seitens der Signatarmächte er-
folgte Ausdehnung des Grundsatzes des Wiener
Kongresses auf die Donau künftig einen Teil
des öffentlichen europäischen Rechts ausmacht
und die Mächte diese Disposition unter ihre Ga-
rantie stellen. Damit wurde der internationale
Charakter des Gegenstandes schärfer betont als
dies seitens des Wiener Kongresses geschehen war,
in dessen Beschlüssen (Schaffung von Ufer-
staaten kommissionen) das die Einzelsouveräni-
tät wahrende, aber doch auch gleichzeitig über-
ragende Solidaritätsinteresse der Mitglieder der
internationalen Gemeinschaft nicht vollständig zur
Geltung kommen konnte. In der Periode der
Geschichte des Völkerrechts, welche der gegen-
wärtigen, vom Pariser Kongreß 1856 zu datie-
renden Periode voraufgeht, wurden von den
Staaten noch immer Fragen des allgemeinen
Völkerrechts vielfach allzu einseitig aus dem Ge-
sichtspunkt individueller und isolierter Interessen
in Betracht gezogen, während in neuester Zeit
die nicht zu verkennende Solidarität der Inter-
essen zu der Ueberzeugung drängt, daß die inter-
nationalen Gemeininteressen den Ausgangs-
und Zielpunkt des Verhaltens der Mächte bei der
Regelung völkerrechtlicher Materien bilden müssen.
Innerhalb dieses Ideenganges, der dem heutigen
Völkerrechtsbewußtsein entspricht, begreift es sich,
daß der Pariser Kongreß 1856 sich veranlaßt sehen
mußte, die von dem Wiener Kongreß formulier-
ten Grundsätze bei der bezüglich des wichtigsten
europäischen Stromes unternommenen Ordnung
der Schiffahrtsinteressen im Geiste des neuesten
Völkerrechts weiterzubilden. Wollte da-
her später aus dem Gesichtspunkte einseitiger Be-
tonung der Einzelsouveränetät der an der Donau-
frage interessierten Staaten in der durch den
Pariser Kongreß herbeigeführten Ordnung der
Angelegenheit gar eine Verletzung der Beschlüsse
des Wiener Kongresses erkannt werden, so lag
darin eine augenscheinliche Verkennung der Le-
gitimation der Mächte zur schrittweisen Weiter-
bildung des Völkerrechts, mit der Modifikationen
des älteren Rechts notwendig verbunden sind.
Der Wiener Kongreß hatte nämlich außer dem
Grundsatz der Freiheit der Schiffahrt auf inter-
nationalen Flüssen auch bestimmt, daß alle die
Schiffahrt betreffenden Verhältnisse (Handhabung
der Polizei, Einhebung der Abgaben usw.) nach
einem einheitlichen System von den Ufer-
staaten durch konventionelle Reglements zu
ordnen seien. Hiernach sollte also das mit den
internationalen Flüssen verknüpfte allgemei-
ne Interesse auf Grund von Vereinbarungen
durch die gemeinsame Wirksamkeit der zunächst
beteiligten Staaten — eben der Uferstaaten —
Befriedigung finden. Es handelte sich das erste
Mal um die Schaffung internationaler Verwal-
tungsvereine zur Pflege eines wichtigen inter-
nationalen Interesses. Dabei ist aber zu beachten,
daß nach den Bestimmungen des Wiener Kon-
gresses trotz der Univer salität des
internationalen Interesses die betreffende inter-
nationale Organisation doch nur auf die Ufer-
staaten beschränkt blieb, während die Nicht-
uferstaaten, deren Interesse an der freien Schiff-
fahrt durch die Ausführung der Kongreßbeschlüsse
doch auch volle Befriedigung finden sollte, keine
rechtlich normierte Ingerenz auf die Regelung
der Schiffahrtsverhältnisse besaßen. Der Pariser
Vertrag 1856 bildet nun einen Wendepunkt in der
internationalrechtlichen Behandlung der vorlie-
genden Frage: der Kongreß schuf ein inter-
nationales Organ,, nämlich die euro-
päische Donaukommission (a 106).
# 2. Die enropäische Donankommission. Die
Uferstaatenkommission. Streitigkeiten über die
—.1 der Donankonnnission. Die Donan-=
age.
I. Die Kommissionen.
1. Die Schaffung der europäischen Kom-
mission (in der Preußen, Großbritannien,
Oesterreich, Frankreich, Rußland, Sardinien und
die Türkei durch je einen Abgesandten vertreten
sein sollten) erfolgte zum Zwecke der Verwirk-
lichung der Dispositionen des Art. 15, also in
letzter Reihe zum Zwecke der Verwirklichung des
dort statuierten Grundsatzes der Freiheit der
Schiffahrt auf der Donau. Die Kommission
wurde mit der Bezeichnung und der Ausführung
der Arbeiten beauftragt, die von Isaktscha
an notwendig waren, um die Mündungen
der Donau, sowie die Teile des daran stoßenden
Meeres von dem die Passage hindernden Sande
und anderen Hemmnissen zu befreien, damit die-
ser Teil des Flusses und die erwähnten Teile des
Meeres sich in dem für die Schiffahrt möglichst
günstigen Zustande befinden. Die Existenz dieser
Kommission, weil nur für eine bestimmte Auf-
gabe — die Beseitigung der Hindernisse der
Schiffahrt an der unteren Donau und den Donau-
mündungen — eingesetzt, wurde umso weniger
beanstandet, als sie ursprünglich nur für eine be-
stimmte Zeit (zwei Jahre) eingesetzt war. Da-
gegen erblickte man in der seit dem Jahre 1856 in
einer Reihe internationaler Akte vollzogenen wei-
teren Regelung der Donauangelegenheiten eine
Abweichung von den Grundsätzen des Wiener
Kongresses, insofern die Wirksamkeit der euro-
päischen Donaukommission wiederholt auf weitere
Fristen ausgedehnt wurde, so daß sie derzeit als
permanente Kommission fungiert; außerdem
wurde hervorgehoben, daß ihr Kompetenzen ein-
geräumt worden seien, welche die Souveränetät
der Uferstaaten schmälern, während die Beschlüsse
des Wiener Kongresses die Souveränetät der
Uferstaaten nicht berühren, weil dem Ueberein-
kommen dieser Staaten die Schaffung der zur
Durchführung des Prinzips der freien Schiffahrt
auf der Donau erforderlichen Reglements usw.
vorbehalten blieb.
2. Die Uferstaatenkommission l(ur-
sprünglich bestehend aus Vertretern Oesterreichs,
Bayerns, Württembergs und der Türkei, denen
sich Kommissäre der Donaufürstentümer anzu-