Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

829. III. Gesundheitswesen. 95 
  
genannt), unmittelbar vom Landesfürsten und dem Geheimen Ratskollegium de- 
pendierend, ins Leben rief und die Physici anwies, sich in allen zu ihrer Be- 
dienung gehörigen Sachen an die neu eingesetzte Behörde zu wenden, insonder- 
heit ihr alle casus notabiles, grassierende Krankheiten, Viehseuchen, auch alle 
Verbesserungen oder Mißbräuche in medizinischen, Apotheken= und chirurgischen 
Sachen einzuberichten. Im wesentlichen hat es dann bei diesen beiden Landes- 
ordnungen länger als ein Jahrhundert hindurch sein Bewenden behalten, bis auf 
wiederholte Anträge der Stände im Jahre 1865 ein umfassendes, den Fort- 
schritten der Zeit entsprechendes Medizinalgesetz vereinbart wurde, welches in- 
zwischen, z. T. anläßlich mehrfachen Eingreifens der Reichsgesetzgebung, ersetzt 
worden ist durch das Ges. vom 9. März 1903 Nr. 19. 
1. Leitung und Beaufsichtigung der gesamten öffentlichen Gesundheitspflege 
liegt in den Händen des Landes-Medizinalkollegium,s, bestehend aus 
einem rechtskundigen Präsidenten (in der Regel dem Kreisdirektor des Kreises 
Braunschweig), daneben höchstens drei ordentlichen und soviel außerordentlichen 
Mitgliedern, daß alle wichtigen Zweige der medizinischen Wissenschaft vertreten 
sind. Als außerordentliches Mitglied tritt hinzu der jedesmalige Vorsitzende der 
Kammer der Aerzte und Apotheker. Der Wirkungskreis der Behörde umfaßt 
hauptsächlich die Beaufsichtigung des Medizinalpersonals, die Oberaufsicht über 
Apotheken, Gift= und Droguenhandlungen, über Krankenhäuser, Irrenanstalten 
u. dergl., die Prüfung der Physici, Heilgehilfen, Hebammen, die Erstattung der 
von Reichs= und Landesbehörden über Gegenstände der gerichtlichen Medizin 
und der Medizinalpolizei erforderten Obergutachten und die Ausübung der Dis- 
ziplinargewalt über die im Staatsdienst angestellten Medizinalpersonen, soweit 
es sich nicht um deren Verfehlungen in der Privatpraxis handelt 1). Zur Er- 
ledigung seiner Aufgabe darf das Medizinalkollegium die Beihilfe anderer Staats- 
behörden in Anspruch nehmen. 
2. Die Medizinalpolizei wird unter Mitwirkung beamteter Aerzte 
und Tierärzte (der „Physici““ und „Kreistierärzte") von den Landes= und Orts- 
polizeibehörden ansgeübt. Zu ihrer Unterstützung (namentlich gegenüber einem 
drohenden Ausbruch gemeingefährlicher Krankheiten) und zur Erstattung gutacht- 
licher Aeußerungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens können — und sollen 
auf Anordnung der Kreisdirektionen — in den Gemeinden unter Zuziehung des 
Physikus Gesundheitskommissionen gebildet werden, deren Mitglieder ihr Amt 
als Ehrenamt zu verwalten haben. Die Physici wurden bislang von der Lan- 
desregierung nach Bedarf, in der Regel für je einen Amtsbezirk, angestellt und 
waren, obschon Staatsbeamte im Sinne des 8St DG., hauptsächlich auf Privat- 
praxis angewiesen. Aber infolge der außerordentlichen Entwickelung, welche der 
öffentlichen Gesundheitspflege im Zeitraum der letzten Jahrzehnte zu Teil ge- 
worden, hat sich der Pflichtenkreis der beamteten Aerzte 7) so sehr erweitert, 
  
Ap on solchen Fällen unterliegen sie der Disziplinargewalt der Kammer der Aerzte und 
otheker. 
2) Darunter gehört: Wohnungs-, Schul- und Gewerbehygiene, Bekämpfung ansteckender 
Krankheiten, Schutzpockenimpfung, Ueberwachung des Medizinalpersonals, der Hebammen, der 
Apotheken und Krankenanstalten, des Gift= und Droguenhandels, Fürsorge für Geisteskranke
	        
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