SI. Geschichtliche Einleitung. 3
Seit 1682 bis zur Fremdherrschaft ist nur im Jahr 1768, angesichts des drohenden
Staatsbankerotts, ein allgemeiner Landtag von der Landesherrschaft ausgeschrieben
worden. Aber auf eben diesem Landtage haben die Stände, nach der Weise
ihrer Vorfahren die Finanznöten des Landesherrn noch einmal ausnutzend, in
den „Privilegien und Befugnissen gesamter Landschaft“ vom 9. April 1770 eine
urkundliche Verbriefung ihrer Rechte erwirkt, die nicht ohne Bedeutung war,
und sie haben durch das „Kollegium der Schatzräte“ immerfort das Recht der
Kontrolle und Mitverwaltung der Steuern ausgeübt, durch ihren engern und
größeren Ausschuß bei wichtigeren Staatsangelegenheiten hin und wieder ihren
Rat und ihr Gutachten zur Geltung gebracht, auch noch in den Jahren 1788
und 1801 von ihrer „althergebrachten Freiheit“, dem Konvokationsrecht, bei ge-
eignetem Anlaß Gebrauch gemacht.
Nach der Schlacht von Auerstädt behandelte der Kaiser Napoleon das Herzog-
tum als erobertes Gebiet, obwohl der Herzog Karl Wilhelm Ferdinand nur in
seiner Eigenschaft als preußischer Heerführer sich am Krieg gegen Frankreich
beteiligt hatte. Der Tilsiter Frieden einverleibte das Land dem Königreich
Westfalen, dessen Oker-Departement es seinem weitaus größten Teile nach zu-
gewiesen wurde. Die neue Regierung schuf, indem sie Justiz und Verwaltung
nach französischem Muster umgestaltete, unleugbar wesentliche Verbesserungen,
aber sie erbitterte durch Steuerdruck und Polizeiwillkür. Erst die Folgen des
Sieges bei Leipzig ermöglichten dem Herzog Friedrich Wilhelm, von seinem
angestammten Erbe Besitz zu ergreifen (23. Dezember 1813). Als er bei Qua-
trebras fiel, übernahm der Prinzregent, spätere König Georg IV. von England
„sowohl in Hinsicht auf die verwandtschaftlichen Verhältnisse, als auch auf den
ausdrücklichen Wunsch des Verewigten“, die vormundschaftliche Regierung für
den noch minderjährigen Herzog Karl II. (Patent vom 18. Juli 1815). Der
Wiedereinsetzung der alten Landesherrschaft folgte die Wiederherstellung der alten
staatlichen Ordnungen und Einrichtungen, doch mit maßvoller Begrenzung. Die
Patrimonialgerichtsbarkeit ward nicht wieder hergestellt und Trennung der Justiz
von der Verwaltung wenigstens eingeleitet.
Die westfälische Konstitution vom 15. November 1807 hatte den Resten
der alten landständischen Verfassung ein Ende bereitet. Nach Einsetzung der
vormundschaftlichen Regierung brachten daher diejenigen Mitglieder der Ritter-
schaft, welche zuletzt dem Schatzkollegium angehört hatten, zunächst in Eingaben
an das Geheimratskollegium, dann in einem Immediatgesuch an den Prinz-
Regenten die Wiederherstellung der alten Ständeverfassung in Antrag und er-
reichten schließlich, daß die beiden bislang noch getrennt gebliebenen Landschaften
des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel und des Fürstentums Blankenburg,
jene zu einem offenen Landtage, diese zu einer allgemeinen Versammlung der
Stände nach Braunschweig (seit 1753 Sitz der Regierung) zusammenberufen
wurden (VO. vom 6. September 1819). Das Ergebnis der nachfolgenden Ver-
handlungen war die „Erneuerte Landschaftsordnung“ vom 25. April 1820. Im
Vergleich mit den Privilegien von 1770 hat sie an der Rechtsstellung der Stände
nicht viel geändert, dagegen ist die Zusammensetzung der Landschaft durch sie
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