Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

SI. Geschichtliche Einleitung. 7 
  
Mehrzahl der norddeutschen Staaten auch Braunschweig den Bündnisvertrag mit 
Preußen ). 
Wie Herzog Wilhelm sein segensreiches Regiment mit der Gewährung einer 
zeitgemäßen Verfassung begonnen hat, die dem Lande den inneren Frieden 
wiedergab, so wird der Abschluß seiner fürsorgenden Herrschertätigkeit gekennzeichnet 
durch den Erlaß des jene Verfassung ergänzenden „Regentschaftsgesetzes“ vom 
16. Februar 1879 — eines Gesetzes, welches im Hinblick auf die der Thron- 
folge der jüngeren hannöverschen Linie des braunschweigischen Gesamthauses 
voraussichtlich entgegenstehenden Hindernisse politischer Natur die verfassungsmä- 
ßige Verwaltung und damit die Ordnung im Lande vor Störungen zu sichern 
bezweckte und tatsächlich gesichert hat. Als der Landesherr am 18. Oktober 1884 
die Augen schloß, übernahm auf Grund dieses Gesetzes ein Regentschaftsrat?) 
sofort die einstweilige Regierung, lehnte die Kontrasignierung und Publikation 
eines Patents, durch welches der erbberechtigte Thronfolger, Herzog Ernst Au- 
gust von Cumberland, das Herzogtum in Besitz nahm, ab und verwies diesen 
hinsichtlich der Geltendmachung seiner Ansprüche an Kaiser und Reich (22. 
Oktober 1884). Nachdem dann der Bundesrat mittels Beschlusses vom 2. Juni 
1885 die Regierung des Herzogs, „da derselbe sich in einem, dem verfassungs- 
mäßig gewährleisteten Frieden unter Bundesgliedern widerstreitenden Verhält- 
nisse zum Bundesstaat Preußen befinde und im Hinblick auf die von ihm gel- 
tend gemachten Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaats“ mit den Grund- 
prinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung für unvereinbar erklärt 
hatte, ward auf dem durch das Regentschaftsgesetz vorgesehenen Wege, entspre- 
chend dem Vorschlag des Regentschaftsrats, der Prinz Albrecht von Preußen von 
der Landesversammlung in ihrer Sitzung vom 21. Oktober 1885 mit Stimmen- 
einhelligkeit zum Regenten des Herzogtums erwählt. Fast 21 Jahr hindurch hat 
der Prinz die Regierung mit unablässiger Pflichttreue geführt, im Sinne und 
Geiste seines Vorgängers. Nach seinem Tode (13. September 1906) konstituierte 
sich abermals der Regentschaftsrat und berief unverzüglich den Landtag ein. In 
den Beratungen desselben ward trotz einmütiger Anerkennung der vielfachen 
Verdienste des heimgegangenen Regenten der dringende Wunsch laut, zur För- 
derung des inneren Friedens und somit der Wohlfahrt des Herzogtums eine 
endgültige Ordnung der Regierungsverhältnisse herbeigeführt zu sehen. Die nach 
dieser Richtung hin unternommenen, auf Erwirkung eines Ausgleichs zwischen der 
Krone Preußen und dem erbberechtigten Thronfolger abzielenden Schritte blieben 
indessen erfolglos; ein dem Reichskanzler als Vorsitzenden des Bundesrats unterbrei- 
tetes Ersuchen um Erwirkung einer Vermittlung des Bundesrats ward kurz zurückge- 
  
1) Ueber das bei Publikation der Verfassung des norddeutschen Bundes im Herzogtum cein- 
geschlagene Verfahren s. § 25. Die Verfassung des Norddeutschen Bundes (ebenso Reichsverfassung 
Art. 6) gewährte dem Herzogtum im Bundesrat zwei Stimmen, entsprechend den jenem ehe- 
dem im Plenum der Bundesversammlung zustehenden und schon im alten Reichstag seit der 
Erhebung der Grasschaft Blankenburg zum Fürstentum (1704) in Anspruch genommenen 
Stimmen. Im deutschen Reichstag wird Braunschweig durch drei Abgcordnete vertreten 
(Wahl G. für den Reichstag des Nordd. Bundes § 5). 
2) Ueber die Zusammensetzung desselben s. § 6 S. 17.
	        
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