Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

8 Geschichtliche Einleitung. SI. 
  
wiesen. Ein weiterer Versuch, durch eine Resolution, die den vorbehaltlosen 
Verzicht sämtlicher Agnaten des herzogl. Hauses auf Hannover als die nach dem 
Erachten der Landesversammlung unumgängliche Voraussetzung für eine Verstän- 
digung mit Preußen hinstellte, den Herzog von Cumberland zu der erhofften 
Nachgiebigkeit zu bewegen, schlug zwar gleichfalls fehl, führte aber wenigstens 
zu einer Erklärung des Thronanwärters, daß er für sich und für seinen ältesten 
Sohn zum Verzicht auf die Nachfolge in Braunschweig zugunsten des jüngeren 
Sohns, dieser aber für sich und seine etwaige künftige Deszendenz zum Verzicht 
auf Hannover bereit sei. Nach Inhalt dieser Entschließungen war die Sach= und 
Rechtslage, welche den Bundesratsbeschluß vom 2. Juli 1885 herbeige führt hatte, 
als verändert anzusehen. Jener Beschluß versagte gegenüber den neuen Aner- 
bietungen des Herzogs. Es bedurfte für das weitere Vorgehen der maßgeben- 
den Organe des Herzogtums einer neuen Norm, deren Feststellung wiederum 
außerhalb der Zuständigkeit des Einzelstaats lag. Der Regentschaftsrat wandte 
sich daher unterm 10. Januar 1907 an den Bundesrat mit dem Antrag auf 
eine Entscheidung der Frage, ob bei den in Aussicht gestellten Zugeständnissen 
des Herzogs von Cumberland und dessen jüngsten Sohnes die Zulassung des letz- 
teren zur Regierung in Braunschweig „mit den Grundprinzipien der Bündnis- 
verträge und der Reichsverfassung vereinbar sei“. Die Anfrage fand in der Bun- 
desratssitzung vom 28. Februar 1907 ihre Erledigung im verneinenden Sinne. 
Die verbündeten Regierungen haben dort einstimmig „ihre Ueberzeugung dahin 
ausgesprochen“, daß, solange der Herzog von Cumberland oder ein Mitglied seines 
Hauses sich in einem dem reichsverfassungsmäßig gewährleisteten Frieden unter 
Bundesgliedern widerstreitenden Verhältnis zum Bundesstaat Preußen befinde 
und Ansprüche auf Gebietsteile dieses Bundesstaats erhebe, auch die Regierung 
eines anderen Mitgliedes des Hauses Braunschweig-Lüneburg in Braunschweig 
mit den Grundprinzipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung nicht ver- 
einbar sei, selbst wenn dieses Mitglied gleichzeitig mit dem Verzicht der übrigen 
Mitglieder des Hauses auf Braunschweig für sich und seine Deszendenz allen 
Ansprüchen auf das frühere Königreich Hannover entsage, daß demnach also durch 
die dem Bundesrat vorgelegten Erklärungen des Herzogs von Cumberland eine 
entscheidende Aenderung in der dem Beschluß vom 2. Juli 1885 zugrunde 
liegenden Sach= und Rechtslage nicht eingetreten sei. 
Nach Ausfall dieser Entscheidung war entsprechend den Vorschriften des Gesetzes 
vom 16. Februar 1879 von neuem zur Wahl eines Regenten zu schreiten. Sie fand in 
der Landtagssitzung vom 28. Mai 1907 statt und lenkte sich, dem Vorschlag des Regent- 
schaftsrats folgend, zugleich einstimmig, auf den Herzog Johann Albrecht zu Mecklen- 
burg. Der erwählte Regent hat mittels Patents vom 5. Juni jenes Jahrs die Regie- 
rung des Herzogtums angetreten 1). 
—. — ·— Ô 
1) Einen Umriß der braunschweigischen Verfassungsgeschichte bis zum Tode des Prinzen 
Albrecht von Preußen enthält der einleitende Teil meiner Ausgabe der Verfassungsgesetze des 
Herzogtums Braunschweig (2. Aufl., 1907). Ueber die Vorgänge, welche zur Wahl des gegen- 
wärtigen Regenten geführt haben: Jahrbuch des öffentl. Rechts der Gegenwart, Bd. I 
S. 310—361. Ueber den Zeitraum von 1815 bis 1846: K. Steinacker in Rottecc- 
Welckers Staatslexikon Bd. II, S. 612—655.
	        
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