16 Zweiter Absch. Die Organisation. I. Die obersten Staatsorgane. A. Staatsoberhaupt. 86.
Großmutter, mit ihrem Rat und Gutachten gehört zu werden (NLO. 8 22).
2. Das Regentschaftsgesetz will seinen Eingangsworten nach „bei künftig eintre-
tenden Thronerledigungen die verfassungsmäßige Verwaltung des Herzogtums gegen
Störungen in den Fällen sichern, daß der erbberechtigte Thronfolger am sofortigen
Regierungsantritt irgendwie behindert sein sollte“. — Die Verhandlungen über den
Erlaß des Gesetzes reichen bis zum Jahr 1871 zurück 1). Ursprünglich war nichts weiter
beabsichtigt, als einstweilige Vorsorge zu treffen für einen bestimmten, naheliegenden
Einzelfall, den des Ablebens des Herzogs Wilhelm, des letzten Fürsten aus der älte—
ren welfischen Linie. Die dringende Notwendigkeit gebot, für diesen Fall die
Fortführung der Landesverwaltung vor unerwarteten Zwischenfällen zu sichern,
mochten nun der Thronfolge des erbberechtigten hannoverschen Hauses aus den Er-
eignissen des Jahrs 1866 und deren Folgen Hindernisse vom Reich oder von preußischer
Seite entgegengesetzt oder gar von Preußen selbst Sukzessionsansprüche erhoben
werden, die schon seit 1861, wenn auch nur offiziös, aufgetaucht waren. Der erste
Regierungsentwurf zu einem Regentschaftsgesetz (vom 6. März 1873) faßte die Ein-
setzung einer Regentschaft nur unter der Voraussetzung ins Auge, daß „bei Erledigung
des Throns der berechtigte regierungs fähige?) Thronerbe an der unmittel-
baren Uebernahme der Regentschaft behindert sein werde“, bestimmte den Großherzog
von Oldenburg zum Regenten und suchte allen weiteren Schwierigkeiten dadurch zu
begegnen, daß die Durchführung des Gesetzes unter die Garantie des deutschen Kaisers
gestellt wurde. Aber von zuständiger Stelle ward diese Gewährleistung versagt, weil
dem Reiche die Prüfung der Legitimation seiner Mitglieder als Recht und Pflicht
obliege und dieser Zuständigkeit durch den Gesetzentwurf bei der von ihm voraus-
gesetzten Eventualität, der Thronfolge des nächsten Agnaten des Hauses Braunschweig,
vorgegriffen werde. Daher erschien es, als die Angelegenheit mehrere Jahre hernach
vom Landtag in der Sitzung des 13. Dezember 1878 wieder ausgenommen wurde, der
Regierung rätlich, in einer neuen Gesetzesvorlage über ihre erste Absicht hinaus
„dem Bedürfnis, bei eintretenden Thronerledigungen keine Stockung im Regie-
rungsgange eintreten zu lassen, generell Genüge zu leisten“. Sie erstreckte
daher die Bestimmungen des Entwurfes auch auf den Fall, daß der erbberech-
tigte Thronfolger „abwesend oder sonst am sofortigen Regierungsantritt be-
hindert sei“ und setzte, als selbst dann noch der Einspruch vom Reich erneuert ward,
an die Stelle der bisherigen Eingangsworte (bei „eintretender Erledigung des Throns"“)
die allgemeinere Fassung: „bei künftig eintretenden Thronerledigungen“ (den
jetzigen Gesetzestext). Die vorberatende Kommission des Landtages stellte dann in
ihrem Bericht über die Vorlage (vom 11. Februar 1879) fest, daß die Lücke, welche
durch die nur die Minderjährigkeit des Thronfolgers berücksichtigende Bestimmung der
NLO. bezüglich des Eintritts einer Regentschaft geblieben sei, vom Gesetzentwurf
nunmehr völlig ausgefüllt werde. Diese Annahme bedarf jedoch insofern einer Ein-
schränkung, als das Regentschaftsgesetz lediglich Anordnung trifft gegenüber einer
1) Näheres über die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, wie zu dessen Erläuterung: Rhamm,
Verfassungsgesetze des Herzogtums Braunschweig, 2. Aufl. (1907) S. 79 fg., 381 fg.
2) Damit war der Ausschluß des blinden Königs Georg V. von der Thronfolge außer
Zweifel gestellt.