Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

24 Zweiter Abschn. Die Organisation. J. Die obersten Staatsorgane. B. Die Landesverslg. § 10. 
  
des Jahrs 1896 eingefügt worden (s. darüber § 25). Der Wahlkörper der evangelischen 
Geistlichkeit, eine Standes-, nicht Kirchenvertretung, muß im Gegensatz zu den übrigen 
Berufsständen die von ihm zu wählenden Abgeordneten aus seiner Mitte entnehmen. 
In allgemeinen ist als Abgeordneter wählbar jeder braunschweigische Staatsangehörige, 
der das 30. Lebensjahr zurückgelegt und mindestens ein Jahr lang vor seiner Wahl 
den Wohnsitz im Lande gehabt hat, vorausgesetzt, daß er nicht wegen einer Straftat, 
für welche auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, zu einer 
Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist, sich nicht im Konkurs befindet oder 
für seine Person oder sein Vermögen unter Vormundschaft oder Pflegschaft steht, 
auch nicht aus der Landesversammlung durch diese selbst dauernd ausgeschlossen ist 1). 
Ob die Voraussetzungen der Wählbarkeit vorliegen, entscheidet in Zweifelsfällen end- 
gültig die Landesversammlung. Ablehnung der Wahl steht frei. Zivilbeamten, Geist- 
lichen, Schullehrern darf im Fall einer Wahl der Urlaub nicht versagt werden. Ihr 
Gehalt läuft fort, die Vertretungskosten trägt der Staat. 
Der Abgeordneten-Auftrag erlischt allgemein durch Ablauf der Wahlperiode 
(s. 9 11) und durch Auflösung der Landesversammlung, dort wie hier jedoch erst mit 
Beendigung der neuen Wahlen des betreffenden Wahlkörpers. In der Person der 
einzelnen Abgeordneten wird er beendigt: 
1. durch Fortfalleinerder Voraussetzungen der Wählbarkeit (bei den vom Wahlkörper 
der evangelischen Geistlichen gewählten Abgeordneten daher auch durch Emeritierung), 
2. durch Niederlegung des Auftrages oder durch eintretende, körperliche oder 
geistige Unfähigkeit zu dessen Weiterführung, 
3. durch Annahme eines bisher nicht bekleideten (nicht notwendig höheren) Staats- 
oder Hofamts (also nicht schon durch Versetzung oder Rangerhöhung), 
4. zur Strafe, auf Beschluß der Landesversammlung, wegen gewisser, grober Ver- 
fehlungen gegen die Geschäftsordnung 2). Darüber, ob aus einem dieser Gründe der 
Auftrag eines Abgeordneten erloschen sei, entscheidet die Landesversammlung, und 
falls sie nicht tagt, in den Fällen 1—3 der Ausschuß. Wird der Auftrag für erloschen 
erklärt (auch im Fall unter 4), so erläßt die Regierung ein neues Wahlausschreiben. 
Der Auftrag des infolge desselben neu gewählten Abgeordneten beschränkt sich auf den 
Rest der Zeit, für welche der ausgeschiedene Abgeordnete gewählt war (G. vom 6. Mai 
1899 Nr. 31 K 13). 
§ 10. Das Wahlrecht. — Die Bedingungen des aktiven Wahlrechts und das Wahl- 
verfahren sind gleichzeitig mit der Aenderung der Zusammensetzung des Landtages 
neu geregelt worden durch das Wahlgesetz vom 6. Mai 1899 Nr. 323). — Bei der eigen- 
  
1) Auf Grund grober Verstöße gegen die Geschäftsordnung (Verletzung der Ehrerbietung 
gegen den Landesfürsten und dessen Haus, Anträge auf Umsturz der Verfassung, Ueberschrei- 
tung der Grenzen der freien Aeußerung auf eine „die Ruhe des Landes oder des gesamten 
Deutschlands gefährdenden Weise“ — G. vom 9. August 1867 Nr. 64, GO. vom 20. Januar 
1893 J& 57. G. vom 6. Mai 1899 Nr. 31 9.7). 
2) Dahin gehören die in Anm. 1 angegebenen Fälle, ferner (nach § 4 u. 39 der GO.) fort- 
gesetzte unentschuldigte Versäumung der Landtagssitzungen. Hier fehlt es aber an einer Be- 
stimmung über die Zulässigkeit eines Ausschlusses „für immer", so daß der Verlust der Wähl- 
barkeit nicht direkt in Frage kommt. 
3) Ab G. vom 2. März 1903 Nr. 7 und vom 16. März 1908 Nr. 18. Ausf.-Bk. vom 6. Sep- 
tember, 1. Oktober, 9. Dezember 1899 (Nr. 75, 80, 103) und vom 17. März 1903 Nr. 14. — 
Das WG.. ist kein eigentliches Verfassungsgesetz, kein Teil des Landesgrundgesetzes (daher mit
	        
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