8 13. Die Geschäftsformen des Landtages. 29
persönlichen Unverletzlichkeit der Abgeordneten bestimmt das Landesgrundgesetz,
daß kein Mitglied der Stände ohne deren Zustimmung „während der Landtags-
versammlung“ verhaftet werden dürfe, außer im Falle des Wechselverfahrens ½)
oder bei Ergreifung auf frischer verbrecherischer Tat (NLO. 135). Die Ver-
haftung während einer Vertagung ist mithin für zulässig zu halten. Auch betrifft
jene Vorschrift nur die Inhaftnahme zum Zweck der Strafverfolgung, nicht zum
Zweck der Strafverbüßung. Eine schon ausgeführte Verhaftung bleibt bestehen.
In Betreff des den Landtagsmitgliedern gleichfalls in der NLO. gewährten
Rechts der freien Meinungsäußerung ist jetzt der § 11 des RStGB. maßgebend.
Der hier anerkannten Redefreiheit der Abgeordneten entspricht die Folgerung
(ebendaselbst § 12), daß wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen des
Landtages von jeder Verantwortlichkeit freibleiben 2).
Die Abgeordneten erhalten während des Landtages Tagegelder (Auswärtige
10 Mk., in der Stadt Braunschweig Wohnende 5 Mk., der Präsident stets 6 Mk.
mehr) und Vergütung der Reisekosten. Gleiche Gebührnisse werden den Mit-
gliedern des Ausschusses bei ihren Sitzungen, sowie während einer Vertagung
des Landtages den in Kommissionen gewählten und für deren Zwecke in Braun-
schweig sich aufhaltenden Landtagsmitgliedern gewährt. Abgeordnete, die eine
Landtagssitzung versäumen, erhalten Tagegelder nur dann, wenn sie durch Krank-
heit behindert, aber am Versammlungsort gegenwärtig und auswärts wohnhaft
sind. Für Reisetage werden keine Tagegelder gezahlt (GO. § 89—94).
13. Die Geschäftssormen des Landtages. — Die grundlegenden Bestim-
mungen über den Geschäftsgang des Landtages sind enthalten in den §§9 138—151
der NLO., die ergänzenden Einzelheiten in der Geschäftsordnung 3), welche nicht
einseitig von der Landesversammlung festgestellt, sondern zwischen dem Landes-
fürsten und jener vereinbart und in Gesetzesform publiziert wird (NLO. F 152).
Die Verhandlungen des Landtages finden in neuerer Zeit herkömmlich in
Braunschweig statt ). Sie werden eröffnet vom Landesfürsten in Person oder
(seit 1846 der Regel nach) durch einen Bevollmächtigten desselben. Vor Beginn
der Beratungen hat jeder neu eintretende Abgeordnete den Erbhuldigungseid zu
schwören und gewissenhafte Ausübung der Rechte und Pflichten eines Abgeord-
neten eidlich anzugeloben 5). Eine Vorschrift der Verfassung, nach welcher die
Landtagsverhandlungen binnen 3 Monaten beendet sein sollen (NLO. 146),
1) Inzwischen durch RG. vom 29. Mai 1868 beseitigt.
2) Ueber den den Landtagen und deren einzelnen Mitgliedern zustehenden „besonderen
strafrechtlichen Schutz“: RSt GB. 5 105 und 106. Ueber Zulässigkeit der Vernehmung von
Landtagsmitgliedern als Zeugen oder Sachverständige außerhalb des Sitzes der Versammlung
während der Dauer der Sitzungsperiode: ZPO. 7+* 382 und 402, Str PO. * 49 und 72,
MStr EO. 9207 und 208. Ablehnungsrecht bei Berufung zum Schöffen= und Geschworenen-
dienst: GV G. § 35 und 85.
3) Jetzt: deren neue Redaktion vom 20. Januar 1893 Nr. 8 mit Ab G. vom 30. März 1894
Nr. 14 und vom 1. Juli 1904 Nr. 45.
4) Noch nach dem LA. vom 9. April 1770 Art. 39 sollen sie, wie früherhin meist, in
Salzdahlum abgehalten werden. Nach § 130 der NLO. bestimmt der Landesfürst den Ort der
Versammlung.
5) NLO. 5 132. Für die Dauer einer auf Grund des G. vom 16. Februar 1879 ein-
gesetzten Regentschaft ist an Stelle des Erbhuldigungseides ein eidliches Gelöbnis der Treue
und des Ichorsame gegenüber dem Regenten gesetzt worden (G. vom 12. Februar 1886 Nr. 9
— s. oben § 6 S. 17).