30 Zweiter Abschn. Die Organisation. I. Die obersten Staatsorgane. B. Die Landesverslg. § 13.
hat sich von vorn herein nicht durchführen lassen.
Die Beratungen werden geleitet vom Präsidenten und in Behinderungsfällen
vom Vizepräsidenten. Den Dienst des Schriftführers versieht der Landsyndikus
mit Unterstützung des Substituten. Die Sitzungen sind in der Regel öffentlich,
geheime Sitzungen können auf Antrag der Regierung, des Präsidenten, sowie
auf einen aus der Versammlung gestellten, ordnungsmäßig unterstützten Antrag
beschlossen werden. Der Regel nach findet eine Vorprüfung der Regierungs-
vorlagen, wie der sonstigen Beratungsgegenstände durch Kommissionen statt, doch
kann bei einfacheren Sachen die Versammlung auf Vortrag von Berichterstattern
sofort in die Verhandlung eintreten. Die Kommissionen werden nach Bedarf
gewählt, nur zur Prüfung eingehender Bittschriften und Beschwerden soll eine
Kommission auf jedem — ordentlichen, wie außerordentlichen — Landtage und
zwar sofort nach dessen Eröffnung zusammentreten ). Die Vorlagen der Regie-
rung sind vor den übrigen Eingängen zum Vortrag und zur Beratung zu
bringen (NLO. § 138). Die Beschlußfassung erfolgt, abgesehen von besonders
wichtigen und umfangreichen Vorlagen, auf Grund einer Lesung, bei Anwesen-
heit von mindestens zwei Dritteilen der Landtagsmitglieder und in der Regel
nach unbedingter Stimmenmehrheit. Nur Aenderungen (und Ergänzungen) des
Landesgrundgesetzes und der zu Bestandteilen desselben erklärten oder als solche
anzusehenden Gesetze und Vereinbarungen (so: der Finanznebenvertrag und die
Vereinbarung wegen der im Staatsbesitz befindlichen Wertpapiere — f. 8 24)
bedürfen einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteilen der „ganzen Land-
schaft" (NLO. § 140, 141) 2), also der Zustimmung von mindestens 32 Abgeord-
neten und können daher gegen die vereinten Stimmen der „Berufsstände“ nicht
durchgesetzt werden. Bei Stimmengleichheit ist die zur Abstimmung verstellte
Frage, wenn sie nur die formelle Geschäftsbehandlung betrifft, als verneint
anzusehen, in anderen Fällen in der nächsten Sitzung nochmals zur Abstimmung
zu bringen und gilt dann bei wiederum sich ergebender Stimmengleichheit eben-
falls als verneint. Die Abstimmung ist öffentlich, geheime Abstimmung durch
verschlossene Stimmzettel nur bei Wahlen zulässig, öffentliche Abstimmung durch
Namensaufruf erforderlich auf Verlangen des Staatsministeriums, auf Antrag
von 9 Abgeordneten und im Fall einer wegen Stimmengleichheit wiederholt vor-
zunehmenden Abstimmung. Ein vorliegendes Sonderinteresse bedingt die — sonst
unzulässige — Stimmenthaltung. Der Präsident ist gleich den übrigen Abgeord-
neten stimmberechtigt. — Jeder Abgeordnete hat den Sitzungen der Versamm-
lung oder der Kommission, der er angehört, pflichtmäßig beizuwohnen. Versäumt
jemand unentschuldigt 3 Sitzungen hintereinander und leistet der schriftlichen
Mahnung des Präsidenten zur Teilnahme an den Beratungen auch dann keine
Folge, so „gilt er als ausgeschieden“ und es wird eine Neuwahl ausgeschrieben
(s. Seite 24 Anm. 2). Verstöße gegen die Geschäftsordnung unterliegen dem
Ordnungsruf, gegen welchen schriftlicher Einspruch bei der Versammlung statthaft
ist, und können bei fortgesetztem Ungehorsam auf Beschluß der Versammlung
1) In Betreff einer der Finanzkommission im L. von 1874 beigelegten besonderen Zu-
ständigkeit vgl. § 24 unter 2.
2) Ueber einen weiteren, jetzt unanwendbar gewordenen Ausnahmefall s. § 8 S. 20 Anm. 2.