Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band 4. Das Staatsrecht des Herzogtums Braunschweig. (4)

8 15. Die Organisation der Justiz. 33 
  
reichenden dienstlichen Beschäftigung der dortigen Richter durch Gesetz vom 15. Juni 
1890 Nr. 26 wieder aufgehoben und vom 1. Oktober jenes Jahres an mit 
dem Landgericht Braunschweig vereinigt worden. Das bisherige Abkommen 
mit dem Fürstentum Schaumburg-Lippe, demnach der erste Senat des wolfen- 
büttler Obergerichts zugleich als Oberappellationsgericht für Lippe zuständig war, 
hat man bei der neuen Gerichtsorganisation leider nicht erneuert 1). 
Durch die genannten Gerichte wird die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit 
nach Maßgabe der Bestimmungen des GVG. ausgeübt 2). Für die Angelegen- 
heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind, soweit das Gesetz nicht einzelne Ge- 
schäfte, die nach den Gesetzesmotiven an sich wohl dem Gebiet der freiwilligen 
Gerichtsbarkeit zugezählt werden könnten, anderen Behörden oder Beamten (dem 
Patentamt, Standesamt u. a.) überwiesen hat, die Amtsgerichte zuständig und 
sie sind allein, d. h. unter Ausschluß der Notare zuständig für die nach dem 
BGB. dem Vormundschaftsgericht und dem Nachlaßgericht, nach der G. 
den Grundbuchämtern obliegenden Verrichtungen, sowie für die amtliche Ver- 
wahrung der Verfügungen von Todeswegen 3). Die Zuständigkeit des Landgerichts 
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist durch die Landesgesetzgebung auf die im 
8 70 Schlußs. des GVG. bezeichneten Ansprüche ohne Rücksicht auf den Wert 
des Streitgegenstandes erstreckt worden; auch sind, entsprechend der Ermächtigung 
des & 100 des GVG., bei dem Landgericht besondere Kammern für Handels- 
sachen eingerichtet /W0. 
Die Richter einschließlich der Handelsrichter, der Oberstaatsanwalt und die 
Gerichtsschreiber werden vom Landesfürsten ernannt, die Staatsanwälte zur 
Ausübung ihres Amts mit „einem dauernden, aber jederzeit widerruflichen Auf- 
trag“" versehen. Die Ernennung, sowie Erteilung und Zurücknahme des Auftrags 
erfolgt auf Vorschlag der Landesjustizverwaltung, die Ernennung zudem — ab- 
gesehen von den Gerichtsschreibern — nach vorgängigem Gutachten des Staats- 
ministeriums. Die Vertreter und Gehilfen der Gerichtsschreiber, sowie die Ge- 
richtsvollzieher ernennt die Landesjustizverwaltung, für deren sämtliche Geschäfte 
  
1) Während des Zeitraums von 1816 bis 1856 bildete das ehemalige Oberappellations-, 
bez öbergericht Wolfenbüttel die höchste gemeinsame Instanz auch für Waldeck und Lippe- 
etmold. 
2) Der Vorschrift des § 420 des RStr PO. ist Genüge geleistet durch Erlaß einer dem 
preußischen Muster sich eng anschließenden Schiedsmannsordnung vom 2. Juli 1896 Nr. 41 
(Ausf.-Bestimmungen: vom 11. u. 19. März 1897 Nr. 9 u. 11, vom 14. Juni 1905 Nr. 33), 
welche neben dem gesetzlich gebotenen Sühneversuch einen solchen auch in Zivilrechtsstreitigkeiten 
auf Anrufen einer der Parteien zuläßt. 
3) Ausf.-G. zum FGG. vom 12. Juni 1899 Nr. 38 5 1. Dieses Gesetz hat das Amt der 
Notare als „öffentlicher Beamten, welche vorbehältlich abweichender Bestimmungen neben den 
Gerichten für die Beurkundung von Rechtsgeschäften und sonstigen Angelegenheiten der frei- 
willigen Gerichtsbarkeit zuständig sind“, beibehalten und die Dienstverhältnisse der Notare unter 
Aufhebung der Notariatsordnung das Jahres 1850 neu geordnet. Das Amt eines Notars ist 
lebenslänglich; die Anstellung erfolgt durch den Landesfürsten nach eingeholtem Bericht des 
Landgerichtspräsidenten. Die Zahl der Notare wird für die einzelne Kreise des Herzogtums dem 
Bedarf entsprechend im Verordnungswege festgestellt (zuletzt so: VO. vom 26. Oktober 1907 
Nr. 55). Eine Versetzung des Notars von dem bei der Anstellung ihm zugewiesenen Wohnsitze 
ist wider seinen Willen nur zulässig im dringenden Interesse der Rechtspflege auf Grund eines 
vom Oberlandesgericht in einer Plenarsitzung gefaßten Beschlusses. 
4) G. vom 1. April 1879 Nr. 11 § 30. — Bk. vom 12. Juli u. 20. August 1879 Nr. 41 
u. 53, vom 19. Juli 1890 Nr. 36, 19. Juni 1906 Nr. 44. 
Rhamm, Braunschweig. 3
	        
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