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die Witwe um mehr als 15 Jahre jünger war, als ihr Ehemann, und er geht
mit ihrem Tode oder bei einer Wiederverheiratung auf die von ihr mit dem
Verstorbenen ehelich erzeugten oder legitimierten Kinder je nach deren Anzahl
ganz (bei drei oder mehr Kindern) oder mindestens zur Hälfte über. Die Pensions-
ansprüche der geschiedenen Frau bleiben bei einer Ehescheidung, wenn jene an
derselben keine Schuld trägt, bestehen. Eine Pension der hinterbliebenen Kinder
neben der der Witwe kennt das Landesgesetz nicht. Der Anspruch der Kinder
erlischt mit deren vollendetem 20 sten Lebensjahre, bei Töchtern auch durch deren
Verheiratung 1).
III. Zie Organisation der Selbstuerwaltung.
*18. — Geschichtliche Einleitung.
Nach Abwerfung der Fremdherrschaft bestätigte der Herzog Friedrich Wilhelm einstweilen
die unter der westfälischen Regierung eingesetzten Behörden in ihrem Wirkungskreise mit dem
Vorbehalt, baldigst andere Verfügung, insbesondere über die Verwaltung der Gemeindeange-
legenheiten zu treffen und die Mairien durch andere Behörden zu ersetzen. Nur die Benen-
nungen änderte man sofort: die Kanton-Maires wurden zu Kreisbeamten, deren Verwaltungs-
geschäfte bald hernach auf die Stadt= und Kreisgerichte übergingen, die Maires in den Städten
und Flecken erhielten ihre alten Amtstitel Bürgermeister, Schultheiß oder die sonst üblich ge-
wesenen Bezeichnungen zurück und die Maires in den Dörfern ließ man als Ortsvorsteher in
ihrem Dienst, jedoch unter Entziehung des Mairegehalts und unter Verweisung auf die den
früheren Bauermeistern zustehenden Gebührnisse (Ueberschüsse der Kontributionen und einiger
sonstigen Steuern, Ertrag der Wrogenstrafgelder) und auf den guten Willen der Gemeinde.
Zur Unterstützung bei Verwaltung des Gemeindevermögens, wie bei Abnahme der Gemeinde-
rechnungen wurden aus der Zahl der unbescholtenen Gemeindemitglieder den Bürgermeistern
Stadtdeputierte, den Ortsvorstehern Ortsgeschworene zur Seite gesetzt. Bei Beschlußfassungen
über Erwerb, Veräußerung, Verpachtung von Gemeindegrundstücken und bei Aufnahme von
Anleihen war der Rat der versammelten Gemeinde einzuholen 2).
Die in Aussicht gestellte Neuordnung der Polizei= und Gemeindeverwaltung erfolgte dann
unter der vormundschaftlichen Regierung mittelst der VO. vom 26. März 1823. Sie überwies
die Leitung der städtischen Angelegenheiten in Braunschweig und Wolfenbüttel einer kollegia-
lischen Behörde, dem Magistrat, unter Oberaufsicht der Fürstl. Kammer, beließ sie in den
übrigen Städten dem Bürgermeister unter dem Oberhauptmann des betreffenden Distrikts 5),
gestattete die Anstellung weiterer städtischer Hilfsbeamter, grenzte den Wirkungskreis der Stadt-
deputierten näher ab und verwies die Besoldung sämtlicher städtischer Beamten auf die Stadt-
kasse. Unter Vorbehalt der landesfürstlichen Bestätigung sollte fortan die Besetzung der Aemter
in den Städten durch Wahl stattfinden, die je nach der Bedeutung der Stelle entweder den
Magistratsmitgliedern, oder den städtischen Beamten, gemeinsam mit einer bestimmten Anzahl
von Stadtdeputierten, oder ausschließlich der Gesamtheit der letzteren überwiesen ward. Die
Stadtdeputierten, selbst hatten sich aus den „angesehensten und rechtlichsten Bürgern aller Ein-
wohnerklassen“ durch freie Wahl in der Weise zu ergänzen, daß bei einer Vakanz dem Magistrat
oder Bürgermeister „zwei gqualifizierte Personen zur Auswahl präsentiert" wurden. Da bei
der gleichzeitig erfolgten Neuordnung des Justizwesens die Kreisgerichte wieder durch die ehe-
maligen Kreisämter ersetzt waren, so unterstellte man diesen abermals die Ortsvorsteher auf
dem Lande. Den Gemeinden stand ein Vorschlagsrecht zu, der Vorsteher ward vom Kreisamt
angestellt und konnte auf dessen Antrag durch den Oberhauptmann wieder entlassen werden.
In dieser Verordnung, die in Bezug auf die Gemeindeverwaltung in den Dörfern über-
haupt nichts änderte, lag auch für die Städte nur ein dürftiger Ansatz zu einer freieren Ge-
meindeverfassung, da sie den Stadtdeputierten ausschließlich eine beratende Stimme zugestand,
Magistrate und Bürgermeister aber kaum in minderer Abhängigkeit von der Aufsichtsbehörde
beließ, als die Ortsvorsteher auf dem Lande !)). Als daher bei den Beratungen über den Erlaß
der NLO. die landständische Kommission dem Staatsministerium eine „vorläufige Zusammen-
1) Eine vergleichende Gegenüberstellung der Leistungen der preußischen u. braunschweig.
Witwen= u. Waisenversorgung: Drucksachen des 24. ordentl. LT. Anl. 142.
2) VO. vom 30. Dezember 1813 Nr. 4 u. vom 19. Februar 1814 Nr. 35.
3) Der Geschäftskreis der Oberhauptleute entsprach im wesentlichen dem der nachmaligen
Kreisdirektoren, abgesehen davon, daß Justiz und Verwaltung noch nicht von einander ge-
schieden waren.
4) So bedurfte jede Veränderung in den einzelnen stehenden Ausgaben der städtischen
Etats der Genehmigung der Kammer. 1*