72 Zweiter Abschnitt. Das Finanzwesen. 8 24.
Bweiter Abschnitt.
Das Finanzwesen.
g 24. Das Staatsvermögen und die Staatsschulden.
I. Drei nach Herkunft und rechtlicher Zubehörung verschiedene Vermögensein-
heiten, das Kammergut, der vereinigte Kloster= und Studienfonds und das eigent-
liche Staatsvermögen bilden als werbendes Vermögen nebst den Steuereinkünften
die Grundlagen des Landesfinanzwesens.
1. Das Kammergut ist in seinen wesentlichen Bestandteilen (Landgütern und
Forsten), altes Familienstammgut des landesherrlichen Hauses, von jeher belastet
mit der Verpflichtung nicht nur zum Unterhalt des fürstlichen Hofes, sondern auch
zur Deckung der Kosten der Landesverwaltung. Nur in gewissen, durch Herkommen
festgesetzten Fällen (Anforderungen zu bestimmten Zwecken des Reichs, echte Landes-
not, Fräuleinsteuer) hatte sich im Lauf der Zeiten eine Rechtspflicht der Landstände
zur Bewilligung von Steuerzuschüssen herausgebildet; abgesehen von ihnen erfolgten
Beihilfen der Landschaft freiwillig. Die Verwaltung der von den Ständen bewil-
ligten Steuern lag seit Ausgang des 16. Jahrhunderts dem landschaftlichen Schatz-
kollegium, nach der ELO. von 1820 dem vom Landesherrn und den Ständen ge-
meinschaftlich besetzten Landessteuerkollegium ob; an der Verwaltung der landes-
herrlichen Kammerkasse dagegen, welcher die Einnahmen des gesamten Kammerguts
zuflossen, hatten die Stände keinerlei Anteil. Die schweren Schäden, welche dieser
Dualismus im Landesfinanzwesen mit sich brachte, bewogen bei den Verhandlungen
über den Entwurf der NLO. den Landtag, mit allem Nachdruck auf eine durch-
greifende Trennung des fürstlichen und Domanialhaushalts vom eigentlichen Staats-
haushalt hinzuwirken und zwar in der Richtung, daß dem Landesherrn aus den
Einkünften des Kammerguts eine bestimmte Jahressumme vorweg gezahlt, der Rest
aber in die Staatskasse abgeführt und der Etat über das Kammergut fortan gleich
den Etats über die sonstigen Zweige der Staatsverwaltung unter ständischer Mit-
wirkung festgestellt werde. In letzterer Hinsicht war die Forderung nicht durchzu-
setzen, im übrigen aber gab die Regierung nach längerem Widerstreben zwar nach,
doch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß durch ein solches Abkommen „die bis-
herige staatsrechtlich feststehende Qualität des Kammerguts durchaus nicht alteriert
werde“. Dieser Bedingung ist Genüge geleistet werden durch die Eingangsbestim-
mung des § 164 der NLO.: „Die bisherigen Rechtsverhältnisse des Kammerguts
und namentlich die Bestimmungen des Edikts vom 1. Mai 1794 bleiben unver-
ändert“ 1). Der abzüglich des Bedarfs des Landesfürsten — und eintretendenfalls
1) Dieses Edikt, erlassen vom Herzog Karl Wilhelm Ferdinand, auf Grund einer Verein-
barung mit dem landständischen Ausschuß, führt „im Interesse der Staatswohlfahrt eine strenge,
vom Grundsatz der Schuldentilgung aus Einkünften, nicht aus der Substanz ausgehende, landes-
fürstlicher Willkür entzogene, der Mitwirkung der Stände bestimmenden Einfluß gewährende
Ordnung des Kammerschuldenwesens ein und läßt Veräußerungen vom Kammergut nur unter
näher geregelten Voraussetzungen, namentlich gegen angemessenes Entgelt zu“. (Otto, #49
S. 127.) Es entscheidet nichts hinsichtlich der rechtlichen Natur des Kammerguts, aber „erkennt
entschieden dessen Verpflichtung zur Bestreitung der Landesbedürfnisse an“ (Zacharige,
Staats- und Bundesrecht Bd. 2, § 209 Anm. 2). Die vornehmlich in Betracht kommenden Be-
stimmungen des Edikts sind in die neuere Landesgesetzggebung (NLO., G. vom 20 Dezember