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entwurf, Kap. 6, § 13, dem der vorstehende Paragraph nachgebildet ist, hat
statt der Worte: „von der Landesregierung“ „vom Könige“. So auch der
§ 100 der N. L.-O., Abs. 2 „von dem Landesfürsten“.
2) Nach der Verordnung vom 5. Januar 1814 Nr. 2 erfolgt die Ver-
kündigung in der Gesetz= und Verordnungssammlung. Mit Ablauf des achten
Tages, nachdem die Ausgabe und Versendung eines Stückes dieser Sammlung
durch die Braunschweigischen Anzeigen bekannt gemacht ist, soll eine jede der
darin erwähnten Verfügungen „für gehörig publiziert erachtet werden,
mithin verbindliche Kraft haben“, eine nicht glücklich gewählte Fassung, der
wohl eine Verwechselung der Verkündigung des Gesetzes mit dem Eintritt seiner
Wirksamkeit zugrunde liegt. — Die Ausdehnung der Verkündigungspflicht
allgemein auch auf die Verordnungen — ohne Beschränkung auf die Rechts-
verordnungen — ist eine Besonderheit der braunschweigischen Verfassung, die
sie wohl nur mit der hannoverschen (Entw. Kap. 6, § 13, Grundgesetz § 89)
teilt. Im übrigen vgl. Anmerkung zu § 101.
8 6.
Fortsetzung.
Der Landesfürst kann in einzelnen Fällen Dispensationen
von den gesetzlichen Vorschriften ertheilen, jedoch, insofern dritte
Personen wegen ihrer Rechte betheiligt sind, nur mit deren Zu-
stimmung#).
1) Eine Dispensationsgewalt in diesem Umfange findet sich nur in sehr
wenigen Verfassungsurkunden anerkannt und ist mit den Einrichtungen eines
Verfassungsstaates nicht recht zu vereinbaren. Vgl. v. Gerber, Uber Privi-
legienhoheit und Dispensationsgewalt im modernen Staate (gZeitschrift für die
gesamte Staatswissenschaft, Bd. 27, S. 427). Auch: G. Meyer, Staats-
recht, § 178, Anm. 12 und dortige Zitate. „Der staatsrechtlichen Natur des
Gesetzes im modernen Verfassungsstaat entspricht allein der Satz, daß nur noch
in denjenigen Fällen dispensiert werden könne, wo das Gesetz oder überhaupt
das geltende Recht dies ausdrücklich zuläßt“ (v. Gerber, a. a. O., S. 447).
Tatsächlich hat aber auch wohl schon seit geraumer Zeit die Handhabung der
Dispensationsgewalt diese Grenzen durchweg innegehalten. Im Bereich des
öffentlichen Rechtes wird das landesherrliche Begnadigungsrecht wohl als Aus-
fluß der Dispensationsgewalt angesehen. Einzelne weitere Fälle des Dispen-
sationsrechts s. im Gesetz vom 1. April 1879 Nr. 14, 5 11 und 13 und im
Kirchengesetz vom 27. Februar 1889 Nr. 7, § 4 und 11 (Befreiung von ge-
wissen Bestimmungen der Prüfungsordnungen). Auf privatrechtlichem Gebiete
ist die Befreiung von Chehindernissen, dem Aufgebot und den Alterserforder-
nissen bezüglich der Annahme an Kindesstatt (B. G.-B. § 1322 und 1745,
Ausf.-BV.-O. vom 1. August 1899 Nr. 64, § 1) dem Staatsministerium,
Abteilung für Justiz, überwiesen.
Rhamm, Verfassungsgesetze. 2. Aufl. 7