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gefunden. Das pactum Henrico-Wilhelminum läßt die Mündigkeit der
Herzöge von Braunschweig, die in den frühesten Zeiten (Urkunde von 1292 im
Urkundenbuch der Stadt Göttingen, 1863, Nr. 36) mit Vollendung des
12. Lebensjahres eintrat, wohl im Hinblick auf die gleiche Anordnung der
Goldenen Bulle mit dem 18. Jahre beginnen, und die Rechtsbeständigkeit dieses
Hausvertrages ist seither von den Landesfürsten vielfach, zuletzt vom Herzog
Karl I. in den Landständischen Privilegien von 1770, Art. 9 in förmlichster
Weise bezeugt. Zweifelsgründe sind hergenommen aus dem Umstande, daß im
braunschweigischen Hause ein durchaus gleichmäßiges Herkommen sich nicht ge-
bildet und daß der Herzog Julius in seinem Testament von 1582 den Eintritt
der Volljährigkeit seines ältesten Sohnes auf das 25. Lebensjahr festgesetzt hat.
Indessen läßt der Wortlaut des Testamentes es unzweifelhaft erscheinen, daß
hier nicht eine Anordnung von allgemeiner Gültigkeit hat getroffen werden,
namentlich nicht, wie wohl angenommen ist, die landesgesetzliche Anerkennung
der einschlägigen Bestimmungen der Reichspolizeiordnungen von 1548 und
1577 hat ausgesprochen werden sollen, sondern daß es sich um eine besondere
Verfügung für den Einzelfall handelt. Die Frage ist bekanntlich praktisch ge-
worden infolge der Streitigkeiten, welche die Regierung des Herzogs Karl II.
hervorrief, und ist vielfach literarisch erörtert, dabei dann meist im Sinne des
pactum Henrico-Wilhelminum beantwortet. Immerhin würde die Verlänge-
rung der Vormundschaft über den Herzog Karl bis zur Vollendung seines
19. Lebensjahres, eine Maßnahme, der anscheinend eine testamentarische Be-
stimmung des Herzogs Friedrich Wilhelm zugrunde lag, dem Herzog Karl zu
einer Beschwerde schon deshalb nicht haben gereichen können, weil er selbst sich
damit einverstanden erklärt hatte.
2) Über den Beginn der Volljährigkeit der Prinzen und Prinzessinnen aus
dem Hause Braunschweig ältere Linie — eine Frage, die längst bedeutungslos
geworden ist — s. Hampe, Braunschw. Privatrecht, 2. Aufl., S. 22, Anm. 6
und 7. Für die jüngere Linie beläßt es das Hausgesetz vom 19. November
1836, Kap. V, § 2 bei der Vollendung des 21. Lebensjahres.
§ 16.
13. Regierungsvormundschaftl).
Eine Vormundschaft tritt ein, wenn der Landesfürst wegen
Minderjährigkeit zur eigenen Ausübung der Regierung nicht
fähig ist2).
1) Der Fall einer bloßen Stellvertretung des Landesfürsten bei einer
vorübergehenden Behinderung ist in der N. L.-O. zwar nicht vorgesehen, doch
wird die in bezug auf Preußen viel verhandelte Frage, ob eine solche nur
dann statthaft sei, wenn die Landesverfassung sie ausdrücklich für zulässig er-
klärt, zu verneinen sein. Uber die Unterschiede in der Rechtsstellung eines
Stellvertreters des Landesherrn und eines Regenten vgl. v. Gerber, Grund-
züge, § 33, Anm. 8.