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vornehmlich die Landstände unter den nichtigsten Vorwänden die Durchführung
des „Defensionswerkes“ zu vereiteln oder doch zu verzögern gesucht, hatten
besorgten Gemüts auf die drohende Ungnade der Kaiserl. Majestät hingewiesen
und gegenüber des Herzogs wiederholten Anträgen auf Anwerbung des benötigten
Kriegsvolkes die „lautere Impossibilität“ auch dann noch vorgeschützt, als Tilly
sich schon anschickte, von der Weser her seine Truppen in die braunschweigischen
Lande einrücken zu lassen 1). Dem mehrmals erneuerten Begehren der Landes-
herrschaft, mit ihnen „als Ihren innersten, ohnedas geheimsten Näthen“ ein
perpetuum consilium zu errichten, welches „autoritate et nomine omnium
statuum jedesmal bei der Hand, Seiner Fürstl. Gnaden consiliis mitadhibiret
und den Abwesenden allen Verlauf jedesmal referiren könne"“, setzten sie in
beharrlichem Widerstande die jammervollsten Ausflüchte entgegen — zu einer
Zeit noch, wo der Erlaß des Restitutionsedikts und der drohende Verlust des
Stiftes Hildesheim den einmütigsten Zusammenhalt von Herrschaft und
Ständen hätte zur unabweislichen Pflicht machen sollen?). Anstatt im Elend
der langen Kriegsjahre dem Landesfürsten zum Besten des ganzen Landes
getreu zur Seite zu stehen, ließen sie über dem Bestreben, ihre „ererbten
Privilegien“, namentlich aber die erlangten Stenerbefreiungen zu bewahren
und tunlichst zu mehren und daneben auch ihre gravamina mit gebührender
Umständlichkeit zur Geltung zu bringen, die pflichtmäßige Rücksicht auf das
allgemeine Wohl unbedenklich zurücktreten. Der Vorwurf, daß in diesen
Zeiten das Ständewesen mehr und mehr in einem kleinlichen, beschränkten
Standesegoismus verknöchert sei 9), wird nicht abgewiesen werden können.
Bald nach seiner Regierungsübernahme hatte der Herzog August die Landstände
zusammenberufen ), und er hat in seiner langen Negierungszeit fast jahraus
jahrein mit ihnen oder den Ausschüssen verhandelt, um Ordnung in das zer-
rüttete Staatswesen zu bringen, aber die Durchflihrung seiner guten Absichten ist
ihm durch die Eigensucht der Stände in nicht geringem Maße erschwert worden.
Vor allem durch die Ritterschaft, die auf Grund ihrer alten Verpflichtung zum
Roßdienst trotz der völligen Unzulänglichkeit dieser Dienstleistungen, der viel-
fachen Umgestaltungen der Steuerverhältnisse und der drückenden Landesnot sich
1) Verhandlungen der Braunschweiger und Calenberger Stände zu Wolfenbüttel
vom 21. Juli 1625 (Akten der landschaftlichen Registratur).
2) „Ein perpetuum consilium und corpus der Landschaft zu verordnen, wäre
nicht zu thun möglich, weil 1) Niemand dazu genugsam bevollmächtigt werden könnte,
2) Niemand sich dazu des stetigen zu erwartenden Syndicirens der Abwesenden
halber gebrauchen lassen wolle, 3) die Kosten zu deren Unterhaltung nicht zu erheben,
4) ohne das auch nicht hergebracht sei“ (Erwiderung der Stände auf die landes-
fürstliche Proposition, Wolfenbüttler Landtag vom 16. bis 19. Januar 1630, in den
landschaftlichen Akten).
5) v. Heinemann, Bd. 3, S. 151.
1) Und zwar anstatt wie bisher nach Salzdahlum oder in die kleineren Land-
städte, zum ersten Male in die Fürstl. Burg zu Braunschweig, aber unter der Zu-
sicherung, daß solches „in keine Consequenz gezogen, sondern nach verbesserten Läufften
inskünftige die Landtage in loco solito gehalten werden mögen“.