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etwa die Hälfte der Kammerschulden als Landesschulden übernommen und zu
ihrer Tilgung verschiedene Steuern erhöht, eine außerordentliche Kontribution
noch einige Zeit in Hebung belassen und eine Kopfsteuer neu eingeführt wurde ).
Dagegen benutzte die Landschaft die Gunst der Gelegenheit, um auf eine Bestäti-
gung ihrer alten Rechte zu dringen, und hatte zu diesem Vorgehen allerdings
insofern gerechten Anlaß, als Zweifel darüber, ob nicht mit der im Jahre 1735
erfolgten Thronbesteigung der bevernschen Linie des Fürstenhauses die Privilegien
von 1710 ihre Gültgkeit verloren hätten, erhoben waren 2) und weder Herzog
Ferdinand Albrecht II., noch der Herzog Karl bei dem Regierungsantritt die
üblichen Reversalen erlassen hatte. Sie erlangte denn auch, daß einer von ihr
teils aus Landtagsabschieden, Rezessen, Verordnungen hergestellten, teils auf das
Herkommen fußenden, vielfach den Inhalt der Privilegien von 1710 wieder-
holenden Aufzeichnung ihrer Gerechtsame nach mancherlei Abänderungen die
landesfürstliche Anerkennung zuteil wurde.
Diese urkundliche Verbriefung der ständischen Rechte — die Privilegia
und Befugnisse gesamter Landschaft vom 9. April 1770 — hat die Grundlage
gebildet, auf der späterhin die Erneuerte Landschafts-Ordnung vom 25. April
1820 errichtet ist. Sie bestimmt, daß die Stände, so oft die Umstände es nötig
oder ratsam machen, bei Abfassung von Gesetzen und Verordnungen von Zeit
zu Zeit in Rat zu nehmen sind (Art. 10), daß sie zu keinen anderen Schatzungen
und Steuern, als zur Reichs-, Kreis= und Prinzessinnenstener 3) und zu dem-
jenigen, was zur notwendigen Defension des Vaterlandes gehört, verbunden
(Art. 24), auch zur Übernahme ohne Not kontrahierter landeofürstlicher Schulden
nicht gehalten sein sollen (Art. 21). Anlagen und Schatzungen, welche gemeine
Lasten sind, sollen nur nach vorgängiger Kommunikation auf offenen Landtagen
und darauf erfolgter Bewilligung aller Stände ausgeschrieben und aufgebracht
werden (Art. 23). In betreff der Zuziehung der Landschaft bei allgemeinen
Landesangelegenheiten haben die in früheren Zeiten erlangten Zusicherungen
eine wesentliche Abschwächung erfahren, indem der Landesherr sich nur geneigt
1) Die hier und da sich findende, auch von v. Heinemann (Braunschw. Ge-
schichte, Bd. 3, S. 292) übernommene Angabe, die Schuldenlast des Landes habe sich
auf nahezu 12 000 000 Tlr. belaufen, ist unzweifelhaft irrig. Nach den vom Minister
v. Schliestedt der landständischen Deputation am 21. Dezember 1768 gemachten
vertraulichen Eröffnungen bezifferte sich die Summe der Kammerschulden auf etwas
mehr als 5.000 000 Tlr. Von diesem Gesamtbetrage übernahm die Landschaft laut
Verwilligungsrezesses vom 9. April 1770 2500 000 Tlr. als Landesschuld, deren Ver-
zinsung und Amortisation durch Uberweisung der erhöhten Biersteuer, Weinaccise und
anderer Abgaben an die Landessteuerkasse sichergestellt wurde. Die von Bode (Feudal-
stände, S. 65) genannte Gesamtschuldenlast von 1 398 683 Tlr. gibt nicht den Betrag
der Kammerschulden wieder, sondern die Höhe der landesfürstlichen Verschuldung, also
derjenigen Ausgaben, die neben der Kammerschuld zu decken und vom Herzog aus
der eigenen Schatulle zu bestreiten waren.
2) Struben, Nebenstunden II, S. 556.
8) Zuletzt bewilligt im Jahre 1795 zum festgesetzten (Priv. Art. 25), übrigens
auch altherkömmlichen Betrage von 20 000 fl. bei der Vermählung der Prinzeß
Karoline mit dem Prinzen von Wales, dem späteren König Georg IV.