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§ 173.
11. Steuer-Verwilligung.
a) Recht und Pflicht der Verwilligung.
Die Stände haben das Recht, daneben aber zugleich die Pflicht,
die zur Erreichung der Staatszwecke erforderlichen Mittel zu be-
willigen, insoweit dieselben aus den Ueberschüssen des Cammerguts
und dem übrigen Staatsvermögen nicht bestritten werden können#).
Insbesondere dürfen sie nie die Deckung derjenigen Ausgaben
verweigern, welche auf den Grund verfassungsmäßig entstandener
Verbindlichkeiten aus den Staatscassen gefordert werden können2).
1) Während noch der § 93 des ersten Entwurfes nur das Steuerbewilli-
gungsrecht der Landstände zum Ausdruck brachte, betont der § 173 daneben
zugleich die Pflicht, die zur Erreichung der Staatszwecke erforderlichen Mittel
zu bewilligen, und bezeichnet damit den Gegensatz zu den Zuständen im alten
Patrimonialstaat, in welchem, abgesehen von wenigen besonderen Einzelfällen,
ein Steuerbeitrag nicht gefordert, sondern nur erbeten werden konnte. In Be-
ziehung auf den Inhalt dieser Pflicht schrieb der Art. 2 des Bundesbeschlusses
vom 28. Juni 1832 (die sog. sechs Artikel, veröffentlicht im Herzogtum durch
Bekanntmachung vom 31. Juli 1832 Nr. 11) vor: „Da nach dem Geiste des
Art. 57 der Schlußakte und der hieraus hervorgehenden Folgerung, welche der
Art. 58 ausspricht, keinem deutschen Souverän durch die Landstände die zur
Führung einer den Bundespflichten und der Landesverfassung entsprechenden
Regierung erforderlichen Mittel verweigert werden dürfen, so werden Fälle, in
welchen ständische Versammlungen die Bewilligung der zur Führung der Re-
gierung erforderlichen Steuern auf eine mittelbare oder unmittelbare Weise
durch die Durchsetzung anderweiter Wünsche und Anträge bedingen wollten,
unter diejenigen Fälle zu zählen sein, auf welche die Art. 25 und 26 der
Schlußakte (Anrufung der Bundeshilfe) in Anwendung gebracht werden müßten."
Die Bestimmungen dieses Bundesbeschlusses erregten vielfach Befürchtungen,
als wenn dadurch den landständischen Befugnissen engere Schranken, als in den
Landesverfassungen gezogen waren, gesetzt werden sollten, und sind demnach in
verschiedenen Bundesstaaten nur unter gewissen Verwahrungen publiziert. In
den Beratungen der braunschweigischen Ständeversammlung riefen sie die Be-
sorgnis hervor, es könne der § 173 dahin gedeutet werden, daß die Frage,
welche Mittel „zur Erreichung der Staatszwecke“ für erforderlich zu halten
seien, in Zukunft ausschließlich der Beurteilung der Regierung unterliegen solle.
Auf ein Ersuchen um Aufschluß hierüber ward aber der geäußerte Argwohn
unter Verweisung auf die übrigen Bestimmungen des Kapitels 6 der N. L.-O.,
insbesondere des § 185 für unbegründet erklärt. „Denn wenn einerseits die
Stände die Verpflichtung haben, nicht nur die Ausgaben, deren Notwendigkeit
und Größe verfassungsmäßig feststeht, zu bewilligen, sondern auch diejenigen,
welche zur Führung der Regierung oder für die Wohlfahrt des Landes erforder-
Rhamm, Verfassungsgesetze. 2. Aufl. 17