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2) Der Absatz 2 ist seinem ersteren Teile nach wörtlich dem § 16 der
E. L.-O. entnommen, enthält hinsichtlich seines letzteren Satzes („auch bezieht
sich 2c."“) dagegen eine sehr wesentliche Erweiterung gegenüber den früher den
Ständen zugestandenen Befugnissen. — Die Auslegung des § 174 hat inner-
halb des ersten Jahrzehnts nach Erlaß der N. L.-O. wiederholt die umständ-
lichsten Erörterungen hervorgerufen. Namentlich führte schon auf dem ersten
ordentlichen Landtage die Frage, ob die Regierung befugt gewesen sei, in Aus-
führung des § 4 der Gesindeordnung dem Gesinde die Lösung eines Dienst-
buches gegen eine die Herstellungskosten erheblich überschreitende Gebühr all-
gemein vorzuschreiben, zu einem von beiden Seiten mit Eifer verfolgten Streit
zwischen Ständen und Ministerium. Die ersteren waren der Ansicht, daß jene
Abgabe, insoweit sie den baren Kostenaufwand überschreite, die Natur einer
eigentlichen Steuer annehme und somit nicht als gesetzmäßig anerkannt werden
könne, da nach § 174 auch die zur Ausführung polizeilicher Einrichtungen und
Maßregeln erforderlichen Abgaben und Leistungen der ständischen Zustimmung
bedürften. Das Ministerium entgegnete, daß bei der Beratung der Gesinde-
ordnung die N. L.-O. noch nicht in Geltung gestanden habe und die Streitfrage.
daher nach Inhalt der E. L.-O. zu beurteilen sei, daß ferner die Gesindeordnung
die Berechtigung zur Feststellung einer Gebühr für Lösung eines Dienstbuches
der Regierung überlasse und eine Gebühr sehr wohl über den Betrag der Her-
stellungskosten hinausgehen dürfe, daß endlich aber die §§ 174 und 175 der
N. L.-O. überhaupt nur auf Steuern im engeren Sinne dieses Wortes zu
beziehen seien. Dennoch beharrte die Ständeversammlung zunächst auf dem
von Anfang an eingenommenen Standpunkte und verfocht ihn um so nachdrück-
licher, als sie im Vorgehen der Regierung einen Ansturm auf „die beiden wich-
tigsten Paragraphen der Verfassung“, eine beabsichtigte Verletzung „des jung-
fräulichen noli me tangere der Verfassung“ (so Hettling und Bruns in der
Landtagssitzung vom 21. November 1833) witterte. Doch ließ man hernach
die Sache auf sich beruhen, nachdem das Ministerium sich bereit erklärt hatte,
den Erlös aus den Gesindegebühren allgemein den Armenkassen zu überweisen
(vgl. Kommissionsbericht vom 16. November 1833 — Anl. 1 zu Prot. 39,
Sitzungsprotokoll vom 21. August und Schreiben an das Staatsministerium vom
22. August 1834 — Prot. 172, Anl. 1). Auf dem 3. ordentl. Landtage erhob
sich ferner der Zweifel, ob die Feststellung des Schulgeldes in den Landgemeinden
als eine Steuerauflage im Sinne des § 174 zu betrachten sei. Die Frage ist
hier aber verneint, da der § 174 nur von allgemeinen Steuern und Landeslasten
handele, die durch den Staatshaushaltsetat liefen, in die öffentlichen Kassen flössen
und von allen Landeseinwohnern zu tragen seien (Sitzung der Ständeversamm-
lung vom 3. April 1840).
§ 175.
b) Umfang des Steuerverwilligungsrechts.
Das ständische Bewilligungsrecht erstreckt sich bei seiner Aus-
übung nicht allein auf die Art und den Betrag der öffentlichen
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