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rechtlichen Bedeutung ein „Zeugnis über die Angemessenheit der zu leistenden
Ausgaben, dessen die Regierung zu ihrer Rechtfertigung gegenüber der Volks-
vertretung bedarf“ (O. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 385). Auch
wenn er in die Form eines Finanzgesetzes eingekleidet wird, stellt er keine
absolut wirkende Norm dar; wie die Regierung um deswillen, weil im
Finanzgesetz ein höherer Ausgabeansatz eingestellt wurde, eine mögliche Er-
sparnis nicht unterlassen darf, so bleibt sie unbehindert, eine größere Ausgabe
zu leisten, so weit sich die Notwendigkeit hierzu aus den veränderten tatsächlichen
Verhältnissen ergeben hat. Aber sie bedarf alsdann der nachträglichen — bei
einer genügenden Rechtfertigung des Verfahrens nicht zu versagenden — Ge-
nehmhaltung der Stände. Diese Genehmigung („Justifizierung") ist nach § 185
erforderlich bei Überschreitung der einzelnen Abteilungen des Etats. Inner-
halb der Abteilungen verfügt die Regierung selbständig über die „Verteilung“
der bewilligten Summen, insofern von einem Abteilungsposten eine Über-
tragung auf einen anderen zulässig ist, und über die „Verwendung“", insofern
ein nicht vorgesehener, unter dieselbe Abteilung gehöriger Ausgabebedarf durch
Ersparnisse aus der für die Abteilung bewilligten Gesamtsumme bestritten
werden darf („qualitative“ Etatüberschreitung). Hiernach ist namentlich die
hin und wieder verhandelte Frage, ob die Regierung die innerhalb eines
Spezialetats über die einzelnen Verwaltungszweige für einen bestimmten Bau
verwilligten Gelder zu einem anderen Bau verwenden dürfe, falls dieser
unter den gleichen Spezialetat gehört und die für letzteren bewilligte Gesamt-
summe (Abteilungs-, Kapitelsumme) innegehalten wird, zu bejahen. Vsgl.
darüber: Bericht der Finanzkommission vom 4. April 1864, Antrag 25
(Drucks. des 11. ordentl. Landtages, Anl. 1 zu Prot. 23) und Protokoll vom
10. Mai. 1864; sodann Verhandlungen der Landesversammlung vom 13. und
14. März 1883, Gutachten des Landsyndikus vom 17. September 1884
(Drucks. des 18. ordentl. Landtages, Anl. 7) und Verhandlung vom 10. März
1885. — Über die Unzulässigkeit der Übernahme nicht genehmigter Etatposten
auf das Kapitel Extraordinär siehe den Kommissionsbericht vom 30. September
(Anl. 1 zu Prot. 194 des 6. ordentl. Landtages) und Beschluß der Landes-
versammlung vom 21. Oktober 1851. — Das Bestimmungsrecht der Landes-
regierung in bezug auf Verwendung und Verteilung der für die einzelnen
Etatabteilungen bewilligten Summen erleidet eine besondere Ausnahme bei den
auf Grund des Gesetzes vom 1. Juli 1904 Nr. 44, Art. I in spätere Finanz-
perioden übertragenen Beträge für Bauten und erstreckt sich überhaupt nicht
auf das erst in neuerer Zeit dem Etat angefügte Ausgabekapitel „zu außer-
ordentlichen Staatszwecken“ (s. darllber § 184, Anm. 3), welches tatsächlich
einen besonderen Etat darstellt. Die Zulässigkeit von Übertragungen (vire-
ments) innerhalb der Einzelpositionen desselben wird hier durch eine ausdrück-
liche Vereinbarung mit der Landesversammlung bedingt (vgl. z. B. Landtags-
abschied vom 21./27. Dezember 1883, Art. 2 A, 5).
3) Wie, wenn eine Verständigung über den Etat nicht zu er-
reichen ist? Zunächst würde die Regierung die für die letzte Finanzperiode