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ziehung auf die Auslieferung politischer Verbrecher auf dem deutschen Bundes-
gebiete (Gesetzsammlung von 1836 Nr. 23) und wurde in weiterem Umfange
beseitigt durch den Bundesbeschluß vom 26. Januar 1854 (Gesetzsammlung
von 1854 Nr. 22). — Gegenwärtig gelten hinsichtlich der Auslieferung von
Verbrechern infolge der Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes bzw. Deutschen
Reiches die nachstehenden Grundsätze:
a) Die Auslieferung eines Reichsangehörigen an einen ausländischen
Staat findet in keinem Falle statt (R.-Str.-G.-B. § 9) — ein Grundsatz, der
auch in den vom Reiche mit auswärtigen Staaten über die Auslieferung
von Verbrechern abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen ausnahmslos an-
erkannt ist.
b) Das Gesetz über Gewährung der Rechtshilfe vom 21. Juni 1869,
§ 20 f. verpflichtete die einzelnen Bundesstaaten, ihre Angehörigen, sowie die
eines anderen Bundesstaates zum Zweck der Verfolgung oder Bestrafung wegen
einer im Gebiete des ersuchenden Bundesstaates begangenen strafbaren Hand-
lung dem letzteren auszuliefern, doch sind späterhin für das Gebiet der ordent-
lichen Gerichtsbarkeit an Stelle jenes Gesetzes die Bestimmungen des deutschen
Gerichtsverfassungsgesetzes getreten, welche „nicht auf dem internationalen
Prinzip der Auslieferung, sondern auf dem staatsrechtlichen Grundsatz beruhen,
daß die Gerichtsbarkeit jedes Einzelstaates sich auf das ganze Bundesgebiet
erstreckt" (Laband, Staatsrecht Bd. 1, S. 47, Anm. 1). Demgemäfß erfolgt
die Herbeiführung der zum Zwecke von Vollstreckungen, Ladungen und Zu-
stellungen erforderlichen Handlungen nach Vorschrift der Prozeßordnungen (in
betreff der Haftbefehle: Str.-P.-O. §§ 131, 187) ohne Rücksicht darauf, ob
die Handlungen in demjenigen Bundesstaat, welchem das Prozeßgericht angehört,
oder in einem anderen vorzunehmen sind. D. G.-V.-G. §§ 161 und (Recht
der Nacheile) 168.
I) Hinsichtlich der Ausländer, die im Auslande ein Verbrechen begangen
haben, hat das Deutsche Reich gegenüber einer Reihe von auswärtigen Staaten
durch besondere Verträge (eine übersicht derselben bei G. Meyer, Staatsrecht,
§. 215, Anm. 4) die Verpflichtung zur Auslieferung übernommen. Sovweit
Verträge dieser Art bislang nicht abgeschlossen sind, bedarf die Auslieferung der
Schuldigen im Herzogtum der Genehmigung der Landesregierung (s. den Text
des § 206, Abs. 2), kann also nach freier Entschließung der letzteren zugestanden
oder versagt werden, wie die Regierung unter der gleichen Voraussetzung
auch unbehindert erscheint, in betreff der Auslieferung völkerrechtliche Ver-
träge mit Staaten des Auslandes einzugehen (s. darüber Laband, Bd. 2,
§* 63; Haenel, Deutsches Staatsrecht Bd. 1, S. 557 f.). An die Stelle des
zwischen Braunschweig und Belgien vereinbarten Auslieferungsvertrages vom
3. Oktober 1846 (Gesetzsammlung von 1847 Nr. 5) ist der Staatsvertrag des
Deutschen Reiches vom 24. Dezember 1874 (R.-G.-Bl. 1875, S. 73f.) ge-
treten, während ein zwischen Preußen und anderen Staaten des Deutschen
Bundes, darunter auch dem Herzogtum Braunschweig, mit den Vereinigten
Staaten von Nordamerika geschlossener Auslieferungsvertrag vom 16. Juni