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der alten Landstände eine allgemeine Landesvertretung von 100 Personen,
welche aber nicht unmittelbar vom Volke, sondern von dem Departements-
kollegium gewählt wurden und über die vom Staatsrat verfaßten Gesetz-
entwürfe, über die Auflagen und das jährliche Finanzgesetz zu beratschlagen
hatten. Da der Landesvertretung, den „Reichsständen“, keinerlei Rechte
zugestanden waren, die die Macht der Krone irgendwie hätten wesentlich ein-
schränken können, so hat man die in jener Verfassung gegebene Nepräsentation
des Volkes nicht mit Unrecht als ein „Reichstrugbild“ bezeichnet, als eine leere
Form, die nur der Autokratie habe zur Umhüllung dienen sollen. Immerhin
aber brach die westfälische Konstitution doch vollständig mit dem Privilegien-
wesen, das den Kern der altständischen Verfassungen ausgemacht hatte.
Bald nach seiner Rückkehr verhieß Herzog Friedrich Wilhelm die Her-
stellung einer Verfassung, wie sie „für das gemeine Wohl und die Bedürfnisse
der Unterthanen der Lage des Landes nach am zuträglichsten sei“ (Verordnung
vom 30. Dezember 1813). Von Einberufung der alten Stände sah er zunächst
ab, um — wie er den ehemaligen Schatzräten gelegentlich erklärte — die Be-
schlüsse des Wiener Kongresses abzuwarten. Auf dem Kongreß hat er sich
dann der Anzahl deutscher Fürsten angeschlossen, die in der Note vom 16. No-
vember 1814 bei den deutschen Großmächten die Wiederherstellung der Kaiser-
würde und die Einführung landständischer Verfassungen in den Einzelstaaten
unter Gewährung eines bestimmten Mindestmaßes von Rechten an die Landes-
vertretungen in Antrag brachten. Als nach dem Tode des Herzogs die
vormundschaftliche Regierung ungeachtet der Verheißung des Artikels 13 der
Bundesakte, daß fortan in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung
„stattfinden solle“, mit weiteren Schritten zögerte, traten auf Veranlassung
und unter Leitung des Schatzrats v. Plessen 1) diejenigen Mitglieder der
Ritterschaft, die bis zum Jahre 1808 dem Schatzkollegium angehört hatten,
zusammen und brachten zunächst für sich allein, in der Folge aber unter Heran-
ziehung einer großen Anzahl ehemaliger „Mitstände“ in wiederholten Eingaben
an das Geheimratskollegium die Wiederherstellung der alten Ständeverfassung
in Antrag. Da die Antwort sich immer nur auf allgemeine Vertröstungen
beschränkte, erhoben sie schließlich unmittelbar bei dem Prinz-Regenten Vor-
stellung mit der Bitte, noch im laufenden Jahre einen offenen Landtag aus-
schreiben lassen zu wollen (Gesuch vom 30. Juli 1817). Auch dann zog sich in-
dessen die Sache noch hin, bis endlich durch eine Verordnung vom 6. September
1819 die gesamten Landstände des Herzogtums Braunschweig und des Fürsten-
tums Blankenburg auf den 12. Oktober desselben Jahres zur Beratung des
Entwurfes einer revidierten Landschaftsordnung zusammenberufen wurden.
1) Hans Georg Gottfried v. Plessen auf Büstedt, geb. 1765 zu Herzberg in
Mecklenburg-Schwerin, gest. am 13. Januar 1837, im braunschweigischen Staats-
dienst seit 1796, Schatzrat seit dem 23. Juli 1801, ein Mann von vielseitiger Bil-
dung und gründlichem Wissen, der sich um das Zustandekommen der Verfassungs-
gesetze große Verdienste erworben hat.