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Die Eröffnung des Landtages fand im Residenzschlosse zu Braunschweig in
Gegenwart der minderjährigen Prinzen Karl und Wilhelm, wie des erblindeten
Herzogs August durch den Grafen Münster, hannoverschen Staatsminister und
Bevollmächtigten des Prinz-Regenten, unter großer Feierlichkeit statt. In einer
längeren Rede entwickelte der Graf Münster die Grundsätze, von denen die
Regierung bei der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfes ausgegangen sei.
Keine sogenannte zeitgemäße Verfassungsurkunde, keine auf bloße Theorien ge—
baute Repräsentativverfassung, sondern Erhaltung der auf frühere Verträge
gestützten Landtagsordnung unter Bewahrung des vorhandenen Guten und
besonnener Verbesserung des Mangelhaften. Kein bedenklicher Versuch einer
unbewährten Neuerung, daher — entsprechend den Beschlüssen des Deutschen
Bundes, die als höchstes Gesetz anzusehen sind — Beibehaltung der land-
ständischen Verfassung. Doch nicht ohne einige Abänderungen des Be-
stehenden, wie sie die Zeitverhältnisse gebieten. Daher: Vereinigung der Ver-
tretungen des Herzogtums Braunschweig und des Fürstentums Blankenburg
zu einer Landschaft, Auflösung der Kurie der Prälaten, die nicht mehr zu
den großen Grundbesitzern gehören und somit nicht länger ein volles Dritteil
des ständischen Stimmengewichtes zu beanspruchen haben, jedoch Verwertung
der Kenntnisse und Erfahrungen der (Titular-) Prälaten, indem man die
letzteren unter Verteilung in die beiden anderen Kurien im Landtage beibehält.
Ferner: Heranziehung der Besitzer freier Bauergliter, die keiner gutsherrlichen
Abhängigkeit unterworfen sind, zu den landständischen Beratungen, Einräumung
des Stimmrechtes an die bisher überhaupt nicht vertreten gewesene Stadt
Wolfenbüttel und stärkere Berücksichtigung der größeren Städte Braunschweig,
Wolfenbüttel und Helmstedt im Verhältnis zu den übrigen.
Diesen allgemeinen Grundsätzen gemäß teilt der Entwurf der revidierten
Landschaftsordnung im Titel 1 (Wesen und Bestandteile der Landschaft, Eigen-
schaften und Wahlen ihrer Mitglieder) die gesamte Landschaft in zwei Kurien,
deren erste die Hälfte der bisherigen Prälatenkurie und die Besitzer der land-
tagsfähigen Güter, d. h. die Ritterschaft in sich schließt, während die zweite die
andere Hälfte der Prälatenkurie, die Deputierten der Städte und die Abgeordneten
der Besitzer ländlich freier, aber bisher nicht landtagsfähiger Güter auf dem
platten Lande, wie in Städten und Flecken umfaßt. Ein ausreichender Grund
für diese Neuerung ist schwer zu finden. Offenbar hatte man das Zwei-
kammersystem vor Augen, wie es in den deutschen Mittelstaaten bis auf Baden
und Hessen eingeführt und für Hannover geplant war, sah aber von einer
folgerechten Durchführung bei den kleinen Verhältnissen des Herzogtums ab
und schuf nun eine unglückliche Halbheit, die in dem schwerfälligen Geschäfts-
gange der Ständeversammlung die Schattenseiten jenes Systems unverfälscht
zur Schau stellte. Daß man auch den Grundgedanken der bisherigen Stände-
verfassung, die Einheit der Landschaft trotz ihrer Dreiteilung, nicht anzutasten
beabsichtigte, beweist der § 1 des Entwurfes, lant dessen die beiden Kurien nach
wie vor ein untrennbares Ganzes bilden sollen, und die Stände meinten in der
Folge diesen Gedanken dadurch noch um so schärfer zum Ausdruck bringen zu